Der Ring
zufrieden sei, aber nun wußte sie, wie einsam sie dadurch geworden war. Sie hatte ein Gefühl, als werde sie rasch alt, und das war kein freundliches Gefühl. Wenn nur …
Ihr Spiegelbild verschwamm. Tränen – als ob das Weinen irgendwie …
Das Telefon leuchtete auf. Der Anruf!
Sie tupfte nutzlos an ihren Augen herum, denn so wollte sie sich nicht zeigen. Doch nach der erforderlichen Wartezeit schaltete sich das Pfeifen ein, und sie mußte an den Apparat gehen.
Die blaue Metallkuppel eines Polizei-Robots erschien auf dem Bildschirm. „Miss Alicia Lang?“ erkundigte sich der Bulle.
„Ja“, sagte sie, von plötzlicher Furcht erfüllt.
„Ein Sportmodell-Monowagen, der auf Ihren Namen zugelassen ist, wurde demoliert. Wir sprechen Ihnen unser Bedauern aus“, sagte er, als könnten tröstende Worte von einer Maschine etwas bedeuten. „Ist das Fahrzeug gestohlen worden?“
„Nein-nein“, sagte sie und hielt die Kamera einen Moment lang schief, so daß der Robot ihren beringten Zeh sehen konnte. Die Polizei brauchte den Wahrheitsgehalt ihrer Bekundungen nicht zu überprüfen. „Er ist mit meiner Erlaubnis gefahren worden.“ Was war geschehen?
„Wurde das Fahrzeug unter Ihrer Mitwirkung oder mit Ihrer Zustimmung zerstört?“
Zerstört! „Nein!“ rief sie. „Was ist mit Jeff – mit dem Fahrer?“
„Bitte geben Sie seine vollständige Identifikation.“
„Geoffrey Font junior, beschäftigt bei der Allgemeinen Kreiselmotoren GmbH. ein qualifizierter Fahrer – und beringt“, sagte sie schnell. „Ich habe ihm den Wagen geliehen. Geht es ihm gut?“
„Wir haben keine Information über den augenblicklichen Zustand dieses Mannes. Die Unfallmeldung wurde von einem Schrottplatz am Rand von Gunnardorf telefonisch durchgegeben. Eine Unfallmannschaft ist dorthin unterwegs. Wünschen Sie zu späterer Stunde einen Routinebericht?“
„Gib mir nur die Adresse!“ sagte sie etwas zu laut. „Bitte. Ich fahre selbst hin.“
Das war der eine Vorteil, den Ringträger genossen. Der Bulle zog ihre Gründe dafür, daß sie selbst an den Unfallort wollte, nicht in Zweifel. Er wußte, daß sie die notwendigen amtlichen Schritte nicht behindern und auch nicht versuchen würde, mit dem demolierten Wagen etwas anzustellen. Er gab ihr die Adresse.
Alice hastete zur Tür. Dann nach einer Erinnerung durch den Ring, lief sie zurück. Sie berührte den Ruf-Knopf am Telefon und kämmte sich nervös das Haar, während sie auf ihre Verbindung wartete.
Pamela McKissic ging ruhelos in ihrem Schlafzimmer hin und her. Sie schämte sich, und das war bei ihr kein häufiges Gefühl. Da hatte sie nun ihrem Vater angelastet, er vernachlässige sie, und die ganze Zeit über hatte er ihr Tun und Treiben sorgfältig beobachtet. Er hatte über die kleinlichen Beschwerden Bescheid gewußt, die sie bei ihren angeblichen Freunden über ihn geführt hatte; über ihr Spiel mit dem Ringträger, ihre Besuche bei diesen Kult-Vorführungen. Er hatte alles gewußt – und nie darüber gesprochen.
Wenn man es genau besah, hatte er wahrscheinlich auch aktiv seine Hand über sie gehalten, denn sie wußte selbst am besten, daß ihr Ruf als „reizendes, unverdorbenes Mädchen“ reichlich unverdient war. Sie hatte ein reizendes Aussehen und ein unverdorbenes Benehmen, und ein Mädchen war sie auch – aber weiter reichte es nicht. Nie vorher hatte sie Reue darüber empfunden.
Zum erstenmal wünschte sie sich, unschuldig zu sein . Wenn sie nur eine echt fabelhafte Person hätte sein können, so wie diese beringte Frau, wie war doch der Name, Alice. Die sich damit einverstanden erklärt hatte, in diesem Zimmer zu schlafen – für alle Fälle, als die Alarmanlagen des Hauses abgestellt worden waren. Alice sprach nie ein hartes Wort, und sie war eine loyale Angestellte der Allgemeinen Kreiselmotoren. Natürlich mußte sie irgend etwas angestellt haben, um den Ring zu bekommen, aber wahrscheinlich hatte es nichts mit Sex oder Gewalt zu tun. Sie war ein nettes Mädchen in dem eigentlichen Sinn des Wortes; die Art, mit der ein guter Mann gern ein gemeinsames Leben begann.
Pamela dachte an ihre eigenen Eroberungen und schauderte. Zu denken, daß ihr Vater davon gewußt hatte! Das war der eigentliche Grund ihres plötzlichen Schuldgefühls. Doch sie wußte, daß sie ähnliches wieder tun würde, sobald sie einen Weg fand, um sein Überwachungsnetz zu umgehen. Warum mußte dieser unkontrollierbare Drang sie immer wieder in Schwierigkeiten
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