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Der Ring Der Jaegerin

Der Ring Der Jaegerin

Titel: Der Ring Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Verwandlung nachzudenken. Das eine war natürlich meine körperliche Veränderung. Wenn ich auch im Augenblick keine Möglichkeit hatte, auf die Waage zu gehen, so merkte ich doch, dass meine Figur kräftiger geworden war. Ich hatte auch erheblich an Stärke und Ausdauer gewonnen, was die langen Spaziergänge noch unterstützten. Kleidung und Haare fanden im Moment sowieso meine Beachtung nicht. Aber ich wusste schon, dass ich demnächst nur noch mit Widerwillen in meine strenge Bürokleidung schlüpfen würde. Viel wichtiger jedoch als die äußeren Änderungen waren meine inneren. Die waren es auch, die mich hin und wieder zweifeln ließen. Seit Minni in mein Leben getreten war, hatte ich mich immer weiter von meinen Grundsätzen entfernt. Wo war die Zielstrebigkeit, die keine Ablenkung durch Gefühle erlaubte? Die Fürsorge für eine kleine Katze war plötzlich wichtiger als die Lehrbücher, ein Tag mit Alan war wichtiger als Überstunden, um ein neues EDV -System beherrschen zu lernen, das Mitleid mit einer seltsamen Katzenkönigin war wichtiger, als die Diplomarbeit zu Ende zu bringen, ein richtig gutschmeckendes Essen zu kochen wichtiger als bloße Nahrungsaufnahme, und auf der Bühne zu stehen, war schöner, als im Publikum zu sitzen. Aber das größte Wunder war, dass ich das, was ich früher als Aberglauben abgetan hatte, jetzt an mir selbst spürte. Da waren Kräfte in mir, die ich einsetzen, die ich beherrschen konnte. Das, was dieser ulkige Hexenkreis um Cosmea so angestrengt versuchte, ich erreichte es mühelos. Und das irritierte mich noch immer. Was war es, was da über Generationen von Katharina vom Walde zu mir gekommen war? Auf meinen Spaziergängen grübelte ich oft darüber nach. Ich fand nicht allzu viele Antworten, aber das störte mich im Augenblick auch nicht mehr. Mit einer mir neuen Geduld ließ ich die Fragen im Raum stehen, mit dem eigenartigen Gefühl, dass die Antwort schon irgendwo auf mich wartete.
    Ja, und nachdem das bewusste, verbissene Streben, endlich die dumme Statistik zu beherrschen, in den Hintergrund getreten war, lernte ich.
    In seiner sanften, vielleicht ein wenig trockenen, lehrerhaften Art wies mich Chefren in die Welt der Mathematik ein. Er schaffte es, dass ich das erste Mal in meinem Leben das Gefühl bekam, dieses Wissensgebiet sei für mich kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Nicht nur die Statistik schien mir plötzlich ein Kinderspiel, auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Kombinatorik und die Integral- und Differentialrechnung. Logarithmen, Exponenten, natürliche und imaginäre Zahlen, virtuelle Ereignisräume, Gleichungen und Ungleichungen jeder Art verloren ihren Schrecken, ja sie begannen mich sogar zu faszinieren.
    Und das alles ohne Computer. Aber ein Computer war jetzt ein offenes Buch für mich. Chefren war nämlich auch Hauskater bei Hollerith gewesen.
    Er selbst allerdings schien auch mit mir zufrieden zu sein und sah mich am letzten Tag vor Vollmond mit seinen blauen Augen freundlich an.
    »Du hast das Zeug zu einer guten Analytikerin, Katharina. Das wird dir zukünftig zugutekommen. Ich verlasse dich jetzt. Altes Wissen weiterzugeben macht eine Weile Spaß, aber jetzt braucht mein Geist neue Anregungen. Sehr viel tiefer reichende Probleme gilt es zu betrachten, damit das Chaos beherrschbar bleibt.«
    Er schnurrte erfreut, als ich ihm zum Abschied das Kinn kraulte, und sprang dann über den Schnee Richtung Süden.
    »Heute wird es leichter für dich sein, Katharina. Wir haben Vollmond. Ein kleiner Spaziergang im Nebel, das ist alles.«
    Minni war nach etlichen Tagen endlich wieder zu mir in die Höhle gekommen, wo ich mir gerade die Reste aus dem Kessel mit den Menscheln teilte. Die beiden waren traurig darüber, weil sie selbst so ein Gefäß nicht hatten und damit diese Zubereitungsform nicht fortsetzen konnten. Ich hätte ihnen ja den Kessel dagelassen, aber Minni bestand darauf, dass ich ihn und den Dolch wieder mitnahm. Die Tasse musste ich natürlich Buchbinder wiedergeben und den Umhang und die Pullover auch. Aber Decke, Schlafsack, ein paar Kleidungsstücke und anderen Kleinkram ließ ich in der Laube. Ebenso Minnis Kopftuch. Dann kuschelte ich die vier Kleinen noch einmal durch, streichelte Demeter den Kopf und trat vor die Laube.
    »Werden wir wieder in Buchbinders Bücherecke ankommen?«, wollte ich dann wissen.
    »Wenn wir an derselben Stelle hinübergehen, was wir natürlich tun. Oder möchtest du, so wie du aussiehst, mitten im Studio

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