Der Ring Der Jaegerin
auftauchen?«
Womit sie natürlich recht hatte. Mein Aussehen war etwas, das mir in diesen vierzehn Tagen absolut gleichgültig geworden war. Meine Haare waren zu einem verfilzten Strick geworden, gewaschen hatte ich sie mir wegen der unzureichenden Warmwasserproduktion in meinem Wildbad nicht, mein Gesicht hatte seine übliche Pflegecreme entbehrt und hatte sich mehrfach durch Sonneneinwirkung geschält. Meine Hände, die richtig natürliche Hausarbeit gemacht hatten, würden jede Maniküre zum Brüllen bringen. Das Schwarze unter den Rändern der abgebrochenen, zersplitterten Nägel würde erst in Wochen herausgewachsen sein. Und, ganz ehrlich, ein Ganzkörperbad würde vermutlich auch nicht schaden.
»Na, denn man los, Kollegin!«, forderte ich Minni auf und wollte mir den Beutel über die Schulter wuchten.
»Gib her, ich trage ihn.« Algorab war neben mir aufgetaucht. »Ich habe den gleichen Weg wie ihr.«
Mehr sagte er nicht, sondern schien tief in Gedanken versunken zu sein, als er neben uns hertrottete.
Der Mond war bereits aufgegangen und warf sein kühles Licht über das Land. In den letzten vier Tagen hatte Tauwetter eingesetzt, und es war merklich wärmer geworden. Und matschiger. Die Landschaft, die der Schnee und das Eis mit Magie versehen hatten, lag jetzt öde und trostlos vor uns. Ich war froh, als ich gegen den hellen, sternenschimmernden Nachthimmel die nadelspitze Silhouette des Übergangsfelsens sah.
»So, der Mond ist in wenigen Minuten im Zenit. Mach’s gut, Algorab. In vier Wochen sind wir vermutlich wieder da.«
Minni stupste seine Nase mit der ihren an, und Algorab brummelte. Dann nahm ich ihm den Beutel von der Schulter, und plötzlich sahen mich seine goldenen Augen durchdringend an. Minni war schon zum Felsen vorgegangen, und ganz leise flüsterte er mir zu: »Schnell, nimm den Ring aus meinem Ohr und gib ihn Malte.«
»Aber, Algorab, das kann ich doch nicht machen. Du brauchst ihn doch.«
»Egal, schnell. Und sag Minni nichts!«
Wie ein kleiner Blitz zuckte die Erinnerung an Buchbinder durch meinen Kopf, wie er sich die Augen gerieben hatte und bat, Algorab nicht zu sagen, wie sehr er ihn vermisste. Darum löste ich schnell den Verschluss und steckte mir den kleinen goldenen Ring über den kleinen Finger.
»Maumaumrrrh«, sagte Algorab und rieb seine Nase an der meinen.
»Algorab!« Minnis Stimme klang schneidend, aber ich lief auf sie zu und deutete auf die nebelige Ecke am Fuße des Felsens.
»Los jetzt. Ich will in die Badewanne!«
Mit einem vorwurfsvollen Blick über die Schulter folgte sie mir.
Es war in der Tat leicht diesmal. Vielleicht fünf Minuten wanderten wir durch einen nebelig feuchten Tunnel aus hohen Bäumen, dann lichtete sich das Trübe, und ich nahm den Geruch von alten Büchern und Kakao wahr.
Kapitel 27
Malte war da, in seinem üblichen grauen Pullover. Und als ich ihn so sah, wusste ich auch, woran er mich erinnerte – an einen alten, grauen Kartäuserkater. Darum lächelte ich, als er aufsah. Er erwiderte das Lächeln mit einem melancholischen, aber leicht amüsierten Schmunzeln.
»Willkommen daheim, Frau Katharina und Madame Minerva. Mögt ihr eine Tasse Kakao und eine Schale Sahne?«
»Liebend gerne. Das und einen Haufen Kohlehydrate, am besten in Form von Nudeln. Aber lieber vorher noch ein Bad«, gab ich ihm zur Antwort und wollte meine Hand auf Minnis Nacken legen, aber die war wieder geschrumpft und saß zu meinen Füßen. Sie sah mit einem nörgeligen Blick zu mir auf. Ich wusste schon, warum. Ihr war es überhaupt nicht recht, dass ich den Ring von Algorab am Finger hatte. Aber dann lief sie doch hinter mir her und schlappte genussvoll eine Schale süßer, warmer Sahne aus, das Schleckermäulchen.
»Herr Buchbinder, ich …«
»Bitte, könnte ich nicht einfach Malte für Sie sein, Frau Katharina?«
»Aber gerne. Also, Malte, ich habe Grüße zu überbringen.«
»Sie haben Algorab gesehen? Geht es ihm gut? Wie sieht er aus?«
»Ich habe ihn gesehen, es geht ihm gut, und er sieht aus wie Sie. Und er bat mich, Ihnen das zu geben. Ich denke, Sie wissen, was damit zu tun ist.«
Ich zog den kleinen goldenen Ring vom Finger und reichte ihn über den Tisch. Malte sah ihn mit großen Augen an, sein Schnurrbart begann zu zittern und er krächzte: »Das hätte er nicht tun dürfen. Er braucht ihn doch dort.«
»Ich denke, er ist der Meinung, dass Sie ihn hier dringender brauchen.«
Minni setzte sich mit einem Sahnebart auf und blickte
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