Der Ring Der Jaegerin
sie aber für den Indoor-Sport nicht mehr geeignet.«
»Und was trägt man outdoor?« Ich lerne ja schnell. Und eine weitere Einkaufstour mit Minni wäre in derart bequemen Schuhen deutlich weniger belastend.
Wieder entspann sich eine Fachsimpelei, bei der ich den Kürzeren zog. Resultat aus der gesamten Verhandlung war jedoch, dass ich mit zwei Paar Schuhen, einem Trainingsanzug, zwei T-Shirts und Leggins den Laden verließ, die Outdoor-Schuhe an den Füßen und um etliche hundert Euro ärmer. Ich brachte die Pakete zum Auto, und endlich konnten wir das eigentliche Ziel in Angriff nehmen. Mit genussvollem Ausschreiten näherten wir uns der Buchhandlung.
Noch bevor ich es registrierte, quiekte Minni plötzlich auf: »Es ist weg!«
Ich eilte auf das Schaufenster zu und musste ihr recht geben. Zumindest im Fenster lag das große rote Buch nicht mehr.
»Ruhig, Minni, vielleicht ist es drinnen ausgestellt.«
»Los, rein jetzt!«
Ich öffnete die Tür, und ein melodisches Glockenspiel begleitete unser Eintreten. Im Laden selbst war es halb dunkel, und das Erste, was ich wahrnahm, war der staubig-muffige Geruch alter Bücher und ein Hauch von Kakao. Ich sah zu Minni, deren lange, leicht gebogene Nase aufmerksam zuckte und sich dann zu einem Nieser krauszog.
»Eijeijeijeijei, was für ein Mief!«, schnupfte sie. Inzwischen hatten sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt, und ich erkannte an den Wänden hohe Regale, offensichtlich willkürlich mit allerlei alten Büchern vollgestopft. Auch im Raum selbst standen Reihen um Reihen Regale voller zerlesener Bände so dicht beieinander, dass immer nur eine Person an ihnen entlanggehen konnte. Personen schienen jedoch nicht anwesend zu sein. Halblaut stellte ich die übliche Frage in den Raum: »Ist hier jemand?«, bekam aber keine Antwort.
»Lass mich mal raus aus der Tasche, ich will mich hier umsehen!«, forderte Minni mit heftigem Gezappel.
»Lieber nicht. Das wird dem Besitzer nicht recht sein, vielleicht gibt es hier wertvolle Sachen.«
»Ich mach nichts Wertvolles kaputt, das solltest du doch wissen.«
»Woher, Minni?«
»Lass mich raus, ich hab was gesehen!« Noch heftiger tobte es in der Tasche, aber ich ließ den Reißverschluss zu, der es ihr nur ermöglichte, mit dem Kopf hinauszuschauen.
»Lassen Sie die Kleine nur heraus, junge Frau.«
Eine brummige Stimme unterbrach unseren Disput, und ich drehte mich zu dem Sprecher herum. Ein – ja – fülliger älterer Herr war irgendwo zwischen den Büchern aufgetaucht und lächelte uns an. Er sah ziemlich eigenwillig aus. Sein Bürstenschnitt stand militärisch exakt um den runden Kopf, die Haare mussten wohl mal schwarz gewesen sein, jetzt waren sie grau mit einem leichten Schimmer von Blau darin. Bei einem Mann hatte ich so etwas noch nie gesehen, und bei Frauen vermutete ich immer eine besonders zusammengestellte Tönung dahinter. Blaugrau waren auch Schnauzbart und sein flauschiger Angorapulli, den er über einem weißen Hemd trug. Nur seine Augen waren seltsam hellbraun und leuchteten aus all den tiefen Falten und dunklen Tränensäcken hervor. Sie spiegelten das Lächeln wider, das seine Lippen unter dem wildwuchernden Schnauzer zeigten. Ich fühlte mich sofort zu ihm hingezogen. Minni ganz offensichtlich auch, sie starrte ihn mit ihren schimmernden blauen Augen unverwandt an.
»Sind Sie sicher, dass sie keinen Schaden anrichten kann?«, fragte ich den Mann und der schüttelte nur den Kopf.
»Für alte Bücher sind Mäuse schädlicher als Katzen. Und vielleicht findet die Schöne dort hier sogar den einen oder anderen Nager. Seit mein Kater gestorben ist, wurde hier nicht mehr nach dem Rechten gesehen.«
Ich zog den Reißverschluss auf, und Minni trat hoheitsvoll aus der Tasche, putzte sich kurz das leicht zerzauste Fell und sprang dann auf den Tisch, neben dem der Mann stand. Er beugte sich zu ihr hinunter, und ich traute meinen Augen nicht, als die beiden sich die Nase gaben. Dann sprang Minni wieder hinunter und verschwand in den staubigen Ecken.
»Ich bin Malte Buchbinder. Sie scheinen noch nicht lange mit Minni zusammen zu sein, denn das, was wir gerade gemacht haben, ist der ganz normale Katzengruß.«
»Ach ja?«, war alles, was mir dazu einfiel. Woher wusste er, dass sie Minni hieß? Vermutlich hatte ich sie vorhin angeredet. Aber Herr Buchbinder schien kein Mensch zu sein, der es als ungewöhnlich betrachtete, wenn man sich mit seiner Katze unterhielt.
»Nun, ich habe fast zwanzig
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