Der Ring Der Jaegerin
viel, sie hatte den Abend offensichtlich damit verbracht, über dem Buch zu meditieren, und ich war seelisch zu angeschlagen, um von meiner Blamage zu berichten. Wortkarg ging ich nach dem Essen zu Bett.
Am Dienstag und Mittwoch liefen die Kurse im Studio bei Liane für meine Nerven wesentlich beruhigender ab. Allerdings verhehlte ich mir selbst nicht, dass ich mit einer gewissen Erwartung dort hingegangen war. Leider von dem schönen Alan keine Spur – fragen mochte ich aber auch nicht nach ihm. Nicht dass es plötzlich hieß, ich liefe ihm – wie so viele andere auch – hinterher. Aber meine Eitelkeit war geweckt, und ich nahm mir noch zwei Trikots mit.
Donnerstag konnte ich dann wieder etwas zum Gewichtsaufbau tun, denn da war ja das Essen mit Mergelstein und Schrader angesagt. Ich erklärte Minni, dass es sehr spät werden könnte, sie war’s zufrieden, bat mich aber um ein paar Bücher, möglichst etwas Philosophisches. Ich kramte in den hinteren Ecken meines Bücherschrankes und fand aus meiner Schulzeit ein paar alte Griechen und ein bisschen was Fernöstliches, das ich in einem Anfall von Schwärmerei für einen Buddhismus-Anhänger erstanden, aber dann mangels Gefühlserwiderung denn doch nicht gelesen hatte. Minni war hocherfreut darüber, und ich suchte meine Garderobe zusammen. Nicht zu fein für das Büro und nicht zu nüchtern fürs Essen in dem Nobelrestaurant. Ich entschied mich für ein klassisches, dunkelblaues Kostüm, weiße Schluppenbluse tagsüber, blassblaue Seidenbluse mit kleinen goldenen Ornamenten und Schalkragen für abends. Schuhe zum Wechseln, Kosmetiktäschchen. Fertig.
»Willst du nicht lieber diese hübschen Sachen von der Fete neulich anziehen? Darin hast du richtig umwerfend ausgesehen.«
Minni musste wieder einen Kommentar abgeben, natürlich.
»Minerva, ich gehe nicht zu einer Party, sondern geschäftlich aus. Da muss man auf die Form achten.«
»Ich fand dich mit den anderen Sachen nicht formlos. Aber so siehst du immer so unauffällig und streng aus.«
»Sehr gut, genau das beabsichtige ich ja.«
»Steht dir aber nicht!«
»Ist das dein größtes Problem?«
»Ein bisschen schon. Schließlich kümmere ich mich ja um deine Entwicklung.«
Was für ein anmaßendes kleines Vieh. Das sagte ich ihr auch, und das Ganze endete damit, dass ich unter einem Hagel von Beschimpfungen, von denen blöde Kuh, dummes Schaf, alberne Pute, doofe Ziege noch die gelindesten waren, die Wohnungstür hinter mir zuknallte.
»Und, den geheimnisumwitterten Schrader sollst du heute kennenlernen?«, flachste mich Miriam mittags an, als sie mit ihrem Müsli zu mir ins Büro kam. »Glück hat die Frau! Erst schenkt der umworbenste Adonis dir mehr als zwei Sekunden Aufmerksamkeit, und dann kriegst du auch noch die Gelegenheit, deine Krallen in den Mann mit dem tiefen Blick zu schlagen. Weißt du eigentlich, dass du unter Morddrohung stehst? Bei allen Sekretärinnen hier in der Firma und bei allen Mädels im Studio! Was hast du nur in den letzten Tagen gemacht? Du warst eine so nette, unauffällige Kollegin.«
Sie lachte mich an und wackelte drohend mit dem Zeigefinger.
»Ich hab gar nichts gemacht. Es sind die schieren Zufälle. Und so groß war die Aufmerksamkeit von diesem Schönling auch wieder nicht, er hat …«
»Ach nee? Und warum hat der gestern nach dem dritten Kurs alle möglichen Leute nach der Frau mit dem langen Zopf gefragt, die ihm angeblich noch ein Wasser schuldet?«
Sch …, warum musste ich rot werden.
»Hah! So ganz unbeeindruckt bist du doch nicht.«
Gott sei Dank klingelte das Telefon. Und Dr. Börris rief aus seinem Büro nach Miriam. Den Nachmittag über hatte ich viel Mühe, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, und war froh, als ich mich zum Essengehen umziehen konnte.
Mergelstein geleitete mich in seiner umständlichen, aber gutgemeinten Art zu seinem Auto, und wir fuhren zum vereinbarten Lokal. Ein Tisch für acht Personen war in einer ruhigen Ecke für uns reserviert, die beiden anderen Geschäftsführer waren mit ihren Damen bereits anwesend, und ich fühlte mich Minni zum Trotz völlig korrekt angezogen. Bis zu dem Augenblick, als Schrader kam. Ihn begleitete – und das war der Moment, in dem ich alle guten und bösen Geister anrief, mich zu Staub, zu einer Maus, zu einem Krümel unter dem Tisch zu machen – die dunkelhaarige Hexe aus Cosmeas Zauberkränzchen. Und sie war in Jeans und Luxusstiefeln. Bordeauxrot – und das zu den schwarzen Haaren und den
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