Der Ring Der Jaegerin
unter Pfötchens langhaarigem Schwanz blinzelten mich zwei verschlafene blaue Augen an. »Frohe Weihnachten, Minni. Komm, hol dein Geschenk!«
Mühselig krabbelte sie hervor und sah mich sehr skeptisch an: »Nicht noch mehr essen.«
»Nein, nein. Hier, streck deinen Hals aus.«
Ich machte die Schnalle des blauen Armbandes zu und drehte es so, dass die Perle von ihrer Kehle tropfte.
»Wie affig.«
»Soll ich’s wieder abmachen?«
»Ach nein, lohnt nicht.«
Madame war wieder muffig, wahrscheinlich hatte ich sie zu plötzlich geweckt. Sie verdrückte sich gleich wieder zu ihrer neuen Freundin.
»Pfötchen ist auch immer schlecht gelaunt, wenn sie verdaut«, verriet Sabina, die das Ganze beobachtet hatte. »Du bist ziemlich auf die Katz gekommen, was? Ihr tragt ja sogar die gleichen Ohrringe. So weit treibe ich es ja noch nicht mal. Aber die Idee mit dem Halsband ist gut. Ich werde Pfötchen auch eines machen lassen. Vielleicht mit einem kleinen Brillant-Bouton?«
»Oder einem daumennagelgroßen Smaragd-Cabochon. Wo TomTom doch so tolle Erfolge hat.«
»Du bist richtig ekelig geworden, Katinka. Aber es steht dir.«
»Danke, Bine.« Wenn sie mit meinem Kindernamen anfing, das konnte ich auch.
»TomTom ist nur zweite Wahl, ich weiß. Aber im Bett ist er gut.«
Wollte sie mich damit schockieren? Das klappte nicht mehr.
»Dann solltest du ihn da auch lassen und nicht deinen Verwandten zumuten. Oder verleihst du ihn auch?«
»Brauchst du einen Mann?«
»Den bestimmt nicht. Mensch, Sabina, du hast doch sicher eine bessere Auswahl.«
»Tja, den Besten habe ich durch eigene Schuld verloren. Jan Richard habe ich leider vergrault. Das passiert mir auch nicht noch mal.«
»Nichts zu machen?«
»Nein, überhaupt nichts. Er hat eine neue Freundin. Nicht nur, dass es die liebenswerteste Frau ist, die ich je kennengelernt habe, sie ist auch umwerfend schön. Daneben verblassen wir beide zu nichtssagenden Mauerblümchen.«
Dass sie »wir« gesagt hatte, rechnete ich ihr hoch an. Und anschließend hatte sie wohl eine kleine, ernsthafte Unterredung mit ihrem TomTom, denn der hielt sich anschließend merklich zurück.
Es war schon fast Mitternacht, ich kam aus dem Bad zurück und wollte eben die Flurtür öffnen, als ich durch den Spalt Minni auf der kleinen Kommode unter dem Spiegel sah. Sie posierte ganz eindeutig. Königlich war ihre Haltung, die leicht gebogene Nase hochgereckt, saß sie auf den Hinterbeinen und besah sich im Spiegel. Hob eine Pfote, strich sich majestätisch über die Schnurrhaare, kringelte den Schwanz elegant und drehte den Kopf nach rechts und links, so dass die kleine Perle schaukelte. Vorsichtig ging ich einen Schritt zurück und polterte laut gegen die Tür, bevor ich sie weit öffnete. Minni saß in harmloser Haltung auf der Kommode und putzte sich den Bart.
Später dann gingen wir zu Bett, nur ich konnte wieder mal nicht einschlafen. Darum geisterte ich im langen Nachthemd noch mal durch die Wohnung und blieb am Wohnzimmerfenster stehen. Das Haus meiner Eltern lag hoch am Hang über der kleinen Stadt, und von diesem Fenster aus konnte man weit über das Tal sehen. Ich lehnte mich mit der Stirn an die kalte Scheibe und versank in den vertrauten Ausblick meiner Kindheit. Der Himmel war verhangen, und nur noch wenige Lichter zwinkerten mir von unten zu.
Es kruschelte leise neben mir, und zwei weiße Gestalten hüpften rechts und links von mir auf die Fensterbank. Ich legte meine Arme um die beiden Katzen und zog sie an mich heran. So standen wir eine Weile regungslos, und im Glas der Fensterscheibe verschmolzen die beiden kleinen Wesen mit meinem weißen Hemd. Die ersten Flocken fielen wie verirrte Federchen, blieben auf der Balkonbrüstung liegen, verwehten wieder. Mehr kamen vom Himmel, kleine Flauschbällchen taumelten herab, dann einzelne Sternchen. Kaum ein Windhauch schien zu wehen, und immer dichter wurde das lautlose Niedersinken der kalten Flocken. Dicker und weißer, wie dichte Wolken, es schien, als ob das Glas milchig würde. Und inmitten des milchig weißen Treibens sah ich diese grünen Augen, Augen mit dem Ausdruck großer Schmerzen und großer Beherrschung. Dann wurden die Umrisse des Gesichtes klarer, und ich erkannte eine grauschwarze Katze, das Kinn müde auf einen bemoosten Stein gelegt, ein Bild, das ein grenzenloses Mitleid in mir weckte. So sollte eine Katze nicht leiden müssen. Und dann schien mir plötzlich, dass ihre Augen auch mich sahen, und ihr Blick traf mich
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