Der Ring Der Jaegerin
haben wir noch zwanzig Minuten Zeit, Alan?«
»Um dahin zu gehen, wohin immer Minni dich führen wird, Kathy.«
»Alan, was … was weißt du?«
»Nur so viel, wie mir mein seltsamer Pate erzählt hat. Als Kind habe ich seinen Geschichten immer fasziniert gelauscht. Es waren wundersame Märchen von einem fernen Land, in dem die Katzen sprechen konnten. Bis ich dann irgendwann dahinterkam, dass es für ihn keine Märchen waren. Ich kann dem nicht folgen, Kathy. Aber du kannst es. Und es mag für die nächsten Tage besser sein, du verschwindest von hier. Gib mir deine Wohnungsschlüssel. Ich kümmere mich um alles und nehme das Buch mit zu mir. Darauf werden sie nicht kommen.«
»Du weißt auch von dem Buch?«
»Ich habe es ihm erzählt, Frau Katharina. Seien Sie mir nicht böse deshalb.«
»Bin ich nicht. Ich hätte mehr Vertrauen zu dir haben sollen, Alan. Aber ich hatte Angst, dass du mich als durchgeknallte Spinnerin betrachtest, wenn ich dir von all dem erzähle.«
Malte Buchbinder wusch inzwischen an meinem Arm herum und tat ein brennendes Desinfektionszeugs darauf, eine Behandlung, die mir die Tränen in die Augen trieb. Alan hielt meine rechte Hand fest und lächelte mir ermutigend zu. Ich verlor mich in seinen Augen und vergaß den Schmerz. Dann wurde ein Verband festgezogen, und als ich meinen Arm wieder betrachtete, war er sauber und hübsch weiß verbunden.
»So, hier ist Verbandszeug zum Wechseln, ein wenig Salbe, damit es nicht klebt, meine Kakaotasse, und dann habe ich hier noch drei Pullover von mir. Es wird kalt sein in Trefélin.«
Buchbinder zog mir einen über den Kopf und half mir vorsichtig in den Ärmel. Wunderbar weich und warm war er, wenn auch ein bisschen groß und natürlich grau mit einem leichten blauen Schimmer.
»Und noch etwas habe ich hier. Ich brauche es nicht mehr, aber im Winter ist es nützlich.«
Er legte mir einen Umhang um die Schultern, der mich sprachlos machte. Es war ein dünner Wollponcho, ebenfalls graublau außen, innen weiß. Sehr leicht, obwohl er mir bis an die Waden reichte. Er hatte auch eine Kapuze.
»Das ist mal eine Gabe, Katharina«, machte sich plötzlich Minni wieder bemerkbar. »Ein Umhang aus der weichen Katzenwolle. Aus Trefélin.«
»Ja, Minni, das Geschenk eines sehr guten Freundes. Grüßt mir Algorab, wenn ihr ihn zufällig dort treffen solltet.« Er strich ihr über den Kopf und löste das Halsband. Dann fügte er mit beinahe erstickter Stimme hinzu: »Aber sagt ihm nicht, wie sehr ich ihn vermisse.«
Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht, dann fasste er sich und bestimmte: »Das Halsband hebe ich für dich auf, Minni. Und hier, in den Beutel, stecken wir noch den Schlafsack. Arme Frau Katharina, eine Weile werden Sie sich damit noch abschleppen müssen. So, und nun ist es so weit.«
Ich musste das alles wohl träumen, aber es gab einfach kein Erwachen, darum holte ich tief Luft und beschloss, den Traum weiter zu erleben.
Alan zog mich an sich und sagte: »Kathy, ich weiß nicht, wohin du gehst und was dir dort widerfährt. Aber ich möchte, dass du eines ganz sicher weißt. Kathy, ich liebe dich!«
War der Traum nicht schön?
»Ich liebe dich auch, Alan. Ich weiß nicht, was geschieht. Warte auf mich.«
»Natürlich, Liebste. Nun geht. Minni wird dir sagen, was zu tun ist.« Der Druck seines letzten, fast verzweifelten Kusses lag noch voller Süße auf meinen Lippen, als ich hinter Minni herging, die sich einer staubigen Ecke näherte. Ich befürchtete, gegen ein Regal zu stoßen und unter Hunderten von vergilbten Büchern begraben zu werden, aber nichts dergleichen geschah. Ich befand mich in einer Art diffusem Nebel.
»Katharina, du musst durch die Flammen gehen. Wenn du dich nicht fürchtest, werden sie dich nicht erreichen.«
»Ich bin schon oft durch die Flammen gegangen, aber ich werde mich immer fürchten, Minni.«
»Dann geh mit Furcht hindurch, aber bleib nicht im Nebel. Ich will dich nicht verlieren – und Alan auch nicht!«
Was ihrer Aussage eine ganz neue Bedeutung gab.
Und dann kamen sie, die Flammen, rot loderten sie empor, gelb, orange flackerten ihre Zungen. Ich spürte ihre Hitze, ihren begehrlichen Wunsch, mich zu verbrennen, zu nichts werden zu lassen. Heiß und verlangend leckten sie nach mir. Lockten mich tiefer in ihre glühende Mitte. Ich scheute zurück, suchte Minni, die wartend am Rande des Flammenmeeres stand.
»Kathy, geh!«
Und ich sah auf in das lodernde Feuer und blickte in das Gesicht,
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