Der Ring der Kraft - Covenant 06
wann trafen wir in diesem oder jenem Ort einen Mann oder ein Weib, jung und gesund genug, um auch andersartige Hilfe anzutragen zu vermögen – und doch dazu nicht bereit. Menschen sind wir begegnet, denen's unbegreiflich war, daß irgendein Weib oder Mann das Land lieben könnte. Bei Gelegenheit unternahm man Anschläge auf unser Leben, denn welche dem Untergang geweihten Menschen möchten nicht die Macht begehren, die wir mit uns führten? Dann bewahrte uns allein die Tapferkeit der Haruchai vor Harm. Zumeist aber gab man uns nichts als Wissen, dieweil man anderes nicht zu geben vermochte. Große Bitterkeit habe ich erfahren, von welchselbiger ich nicht weiß, wie ich sie lindern soll – doch die Schuld fällt nicht des Landes Menschen zu. Niemals hätte ich geglaubt, daß das schiere Leben eines Dorfes soviel Verlust erleiden und dennoch überdauern könnte.«
Er verstummte und schwieg für eine Weile; man hörte in der Höhle nur noch das Trommelgeräusch des Regens. Sunder hatte eine Hand auf Hollians Hand gesenkt; die Stärke seines Griffs ließ auf seinem Handrücken die Muskelstränge hervortreten. Er war nicht größer als Linden, aber seine Statur konnte nicht am Körperbau ermessen werden. Auf Covenant wirkte er so gefährlich und verstört wie Berek Halbhand auf den Hängen des Donnerbergs, wo der einstige Held und Lord-Zeuger zum letztenmal Hand an die Erdkraft gelegt hatte. Das Schweigen schien sich kaum vom dumpfen Lärm des Sturms zu unterscheiden. Die Sonnengefolgschaft hatte mittlerweile grauenvolle Mengen von Blut vergossen – aber für Covenants Begriffe schwebten in seinem Umkreis zu viele Leben in Gefahr, und er hatte keine Ahnung, wie er sie schützen sollte. Er schaute Linden an, um zu sehen, ob er bei ihr irgendeinen Rückhalt finden konnte. Doch sie bemerkte seinen Blick nicht. Sie hatte den Kopf gehoben, und in ihren Augen stand Schärfe, als prüfe sie die Luft, spüre einer Spannung oder etwaigen Gefahr nach, die er nicht wahrzunehmen vermochte. Covenant sah die Riesen an. Aber Blankehans' Augen waren unter der geballten Faust seiner Brauen verborgen; und die Aufmerksamkeit der Ersten, Pechnases und Nebelhorns galt ausschließlich dem Steinhausener-Paar.
Am Höhleneingang hob Cail einen Arm, als wolle er trotz seines angeborenen Gleichmuts eine Gebärde des Protests vollführen. Dann jedoch senkte er den Arm wieder an seine Seite.
Unvermittelt begann Sunder erneut zu sprechen. »Allein ein einziges Dorf gewährte uns nicht einmal ein solch eitles Trugbild von Gabe ... das war die letzte Ortschaft, die wir aufgesucht haben.« Seine Stimme klang kloßig und rauh. »Von dort sind wir nun gekommen, auf dem Wege, den wir zuvor beschritten, weil uns keine Hoffnung mehr geblieben ist. Unsere Wanderung von Ort zu Ort führte uns durch einen Halbkreis, so daß wir im Osten an Schwelgenstein vorüberzogen und uns nordwärts wandten, einem Steinhausen mit Namen Landrain zustrebten. Das Holzheim, in welchem wir von ihm Kenntnis erhielten, lag der Feste des na-Mhoram bedrohlich nahe, noch näher aber war ihr Steinhausen Landrain – und so sorgten wir uns, dort möchte die Furcht vor der Sonnengefolgschaft gar so groß sein, daß es ohne Sinn sein könne, dagegen das Wort zu ergreifen. Aber als wir selbiges Dorf erreichten, ersahen wir, daß es nie wieder derlei Furcht hegen sollte.« Er schwieg für einen Augenblick. »Jenes Dorf war gänzlich des Lebens entblößt«, knurrte er dann. »Die Gefolgsleute hatten's ganz und gar ausgehoben, ein jedes lebendige Herz fortgeschleppt, um mit seinem Blut das Sonnenfeuer zu nähren. Kein Kind, kein Krüppel war verblieben, um noch des Sonnenübels Opfer zu werden.« Danach redete er nicht weiter, hüllte sich krampfhaft in Schweigen, als wäre er dazu außerstande, noch ein weiteres Wort zu sprechen, ohne laut aufzuheulen.
Hollian zuckte traurig die Achseln. »Da wußten wir nicht mehr, wohin noch gehen«, setzte sie die Erzählung fort, »also kehrten wir zurück in den Osten. Unsere Erwägung lautete, uns dem Zugriff der Sonnengefolgschaft zu entziehen und deiner zu harren, Ur-Lord – dieweil wir wähnten, der Zweifler und Träger des Weißgolds werde in seiner Suche nimmermehr scheitern ...« – ihr Ton war freundlich, frei von Sarkasmus oder Vorwurf –, »und wir wußten, wenn du wiederkehrst, wirst du aus dem Osten kommen. Zumindest in dieser Hinsicht war das Glück uns hold. Weit eher, als wir's zu erhoffen wagten, haben die Haruchai deine
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