Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
denen er sein Selbstwertgefühl wiederherstellen könnte. Und nun befand er sich da, wohin die Logik des Heldentums führte – an einer Stätte, die stank wie ein Schlachthaus.
    Angesichts dessen entstand in der Wildnis von Lindens Herz eine unerwartet heftige Reaktion. Nebelhorn hatte seine Tätigkeit nicht unterbrochen, um sie zu begrüßen. Sie packte ihn an Arm, an seinem Wams, zerrte an ihm, bis er sich vorbeugte und sie sich mit ihren unzulänglichen Kräften um seinen Hals klammern konnte. Unwillkürlich hob er sie trotz seines gebrochenen Arms vom Boden; und sie flüsterte auf ihn ein, als keuche sie. »Du hast mir das Leben gerettet. Als ich mich nicht selber zu retten imstande war. Und als kein Haruchai mich schützen konnte. Du bist für das hier nicht verantwortlich. Die Sonnengefolgschaft hat diese Menschen in den Kampf gehetzt. Du hattest keine Wahl.« Nebelhorn. »Du konntest dich doch nicht einfach von ihnen umbringen lassen.« Nebelhorn, hilf mir. Du hast nur gekämpft. Ich habe versucht, Covenant zu einem Besessenen zu degradieren. Er ist verloren, und ich werde ihn niemals wiederbekommen.
    Für einen Moment krampften sich Nebelhorns Muskeln vom Gram zusammen. Aber dann lockerte er langsam seinen Griff, stellte Linden sachte zurück auf den Fußboden. »Auserwählte«, sagte er, als hätte er sie voll und ganz verstanden, »es wäre mir eine Wohltat, wolltest du meinen Arm behandeln. Der Schmerz ist beträchtlich.«
    Beträchtlich , dachte Linden. Guter Gott, hab Erbarmen! Nebelhorns Einlassung enthielt eine schreckliche Untertreibung. Sein rechter Ellbogen war zersplittert, und bei jeder Bewegung schabten die Knochenscherben aneinander. Trotzdem hatte er den ganzen Tag mit Aktivitäten zugebracht, erst am Kampf teilgenommen, dann für die Verletzten getan, was im Rahmen seiner Möglichkeiten stand. Und für sich räumte er nur ein, sein Schmerz sei beträchtlich. Er gewährte Linden mehr Hilfe, als sie verdiente.
    Als Durris und seine Kameraden die Dinge herbeischafften, die sie verlangt hatte, ordnete sie an, ein Feuer zu entfachen, um zunächst das Messer in der Glut zu desinfizieren und anschließend das Wasser erhitzt zu halten. Danach schnitt sie, während draußen die Sonne sank und über der Stadt zusehends dunkler der Abend dämmerte, Nebelhorns Ellbogen auf und fügte die Knochen zusammen. Diese schwierige, sehr heikle Aufgabe belastete ihre Nerven bis an den Rand des Zusammenbruchs, zerschliß sie durch das Ausmaß an geteiltem Schmerz. Aber sie hörte, sobald sie mit Nebelhorn fertig war, nicht auf. Ihre Arbeit fing gerade erst an. Nachdem sie Nebelhorns Arm geschient und verbunden hatte, kümmerte sie sich um die Verletzungen der Haruchai, um Foles Bein, Harns Hüfte und all die übrigen Wunden, die sie durch den Zorn , die Landläufer, Gefolgsleute und anderen Bewohner Schwelgensteins erlitten hatten. Foles Verletzung erinnerte sie an Ceer – dessen Bein war von einer Sandgorgone zertrümmert und niemals anständig behandelt worden –, und deshalb befaßte sie sich mit Foles Brüchen so gründlich, als könne sie an Ceer Wiedergutmachung leisten, indem sie nun das Leid gebrochener Knochen und zerrissenen Fleischs auf sich nahm. Und als Fole versorgt war, begann sie die Wunden der Gefolgschaftsmitglieder und ihrer Diener zu behandeln, so gut es sich machen ließ.
    Später spürte sie durch das Portal mit den zerborstenen Torflügeln am vorderen Ende der Eingangshalle die Mitternacht über der Festung heraufziehen wie einen Mond. Der Gestank vergossenen und geronnenen Bluts erfüllte die Luft. Männer und Frauen schrien auf, wenn sie sie berührte, als fürchteten sie Rache. Aber Linden blieb trotz aller Mattigkeit ruhelos ihrer Berufung treu. Sie war die einzige Antwort, die sie je für sich gefunden hatte, bevor sie Covenant begegnete. Jetzt war sie die einzige Antwort, die sie noch besaß. Ja. Dieses Werk war wesentlich und rein in seiner Natur. Es hatte Bedeutung, Sinn; der Schmerz war es wert, daß man ihn ertrug. Ja. Und er hielt sie beisammen. Als erkenne sie es zum erstenmal: Ja.
    Noch nie hatte sie sich mit so viel Blutvergießen, so vielen Wunden auf einmal beschäftigen müssen. Doch die Zahl der Männer und Frauen, alter und junger, die ihre Verletzungen so lange hatten überleben können, war immerhin begrenzt. Die Folgen des Kampfes waren nicht wie das Sonnenübel, nicht endlos und ohne Abhilfe. Linden hatte nahezu alles getan, was sie sich irgendwie abzuverlangen

Weitere Kostenlose Bücher