Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
Schockzustand siegte. Sie löste sich von Michael, kniete neben Alan nieder und gab den Sanitätern Anweisungen. Kaum aber bemerkte sie, dass sie verblüfft angestarrt wurde, verstummte sie sofort.
»Sie ist Unfallchirurgin«, erklärte Michael mit ruhiger Autorität und kniete neben ihr nieder.
Und von diesem Moment an setzte sie ihr ganzes Wissen und ihre jahrelange Erfahrung ein, als sie die zwei Männer und die Frau anleitete, die bemüht waren, Alan Brewer zu stabilisieren. Er bekam eine Infusion, wurde vorsichtig auf ein Rückenbrett gehoben und so festgeschnallt, dass er sich nicht rühren konnte. Dann wurde er auf einer Rollbahre in das Rettungsfahrzeug geschoben. Libby sprach per Funk mit dem Dienst habenden Arzt in Bangor und erfuhr, dass bereits ein Helikopter unterwegs sei.
Sie gab dem Rettungsteam noch ein paar Anweisungen, schnappte sich einen Notfallkoffer und ging zum kleinen Darren Brewer. Lächelnd kniete sie vor ihm nieder und wischte ihm eine Träne von der schmutzverschmierten Wange. »Ich bin Doc Libby, Darren. Die aus dem Weihnachtsladen von heute Morgen.«
Er wischte sich selbst eine Träne ab und deutete auf seinen linken Arm. »Ich … ich bin runtergefallen«, flüsterte er.
»Darf ich sehen, wo du dich verletzt hast?«, erwiderte sie sein Flüstern. »Deine Hand ist zwar eine gute Schiene, ich könnte dir aber eine bessere anlegen.«
Mit verängstigten, schmerzerfüllten und skeptischen Augen nickte der Junge langsam und ließ seinen verletzten Arm los.
Libby sah die Frau, die Darren hielt, lächelnd an. »Überlassen Sie den Jungen Michael. Er wird ihn festhalten, damit ich ihm die Schiene anlegen kann.«
Von Libbys Bemerkung ebenso beunruhigt wie Darren, nickte die Frau widerstrebend und machte Platz, damit Michael ihre Stelle hinter dem Jungen einnehmen konnte.
»Was hast du denn auf dem Dach getrieben?«, fragte Libby, während sie mit einer Schere Darrens Hemd am Arm vorsichtig aufschnitt. »Nein, lass mich raten«, fuhr sie fort. »Ich sehe Weihnachtsbeleuchtung an der Dachrinne. Ihr wart wohl dabei, das Haus zu schmücken?«
Er nickte mit angehaltenem Atem, als sie seinen Arm entblößte. Er war zwischen Ellbogen und Handgelenk gebrochen, doch war der Knochen nicht durch das Fleisch gedrungen.
Libby stieß einen gedehnten und anerkennenden Pfiff aus. »Eine schöne Bescherung hast du dir da eingehandelt«, sagte sie voller Respekt und lächelte ihn an. »An deiner Stelle würde ich brüllen wie am Spieß.«
»Weil Sie ein Mädchen sind«, sagte Darren.
Libby nickte. »Ja, das ist wohl der Grund, warum ich schreien würde und du nicht.«
»Wird mein Daddy wieder gesund?«, fragte er mit einem Blick zum Rettungswagen.
»Er wird wieder gesund, Darren. Er ist aber verletzt und bleibt deshalb im Rettungswagen, bis der Hubschrauber eintrifft.«
»Werde … werde ich mit dem Heli fliegen?«, fragte er.
Libby umfasste sein Gesicht und schüttelte lächelnd den Kopf. »Tut mir leid, Kumpel. Diesmal nicht.«
Er riss seinen Blick vom Rettungsfahrzeug los und starrte zu ihr hoch. Libby sah rasch zu Michael hin und dann wieder zurück zu dem Jungen.
»Augen zu, Darren«, flüsterte sie. »Und denk an etwas Schönes. Hast du ein eigenes Tier?«
»Ich habe Bingo«, sagte er und machte die Augen ganz fest zu.
Libby hielt eine Hand an sein Kinn und legte die andere auf den Bruch an seinem Arm. »Ist Bingo eine Katze?«, fragte sie.
»Nein, ein Hund. Autsch.« Er zuckte zusammen.
»Pst, schon gut. Du spürst nur Hitze, keinen Schmerz.«
»Ihre Hände sind echt warm«, sagte er leise und mit einem Blick auf seinen Arm.
Libby hob sein Kinn an, so dass er sie ansehen musste. »Ich bin nicht sicher, ob dein Arm gebrochen ist, Darren. Hoffentlich ist es nur eine starke Prellung. So, jetzt mach wieder die Augen zu und denk an Bingo. Hast du ihn bekommen, als er ganz klein war?«
Aber Libby vernahm Darrens Antwort nicht, falls er ihr eine gab. Ihr geistiges Auge wanderte durch seinen Körper. Sie fühlte seinen raschen, angstvollen Atem. Sein Herzschlag raste vor Angst. Sie fand die Bruchstelle, die farbig pulsierte, und machte sich daran, die Stelle im Geist zusammenzufügen. Langsam wuchs der Bruch zusammen, die Blutgefäße schlossen sich, die Schwellung ging leicht zurück.
Sie war im Begriff, sich aus seinem Körper zurückzuziehen, als Libby etwas anderes wahrnahm – eine Unregelmäßigkeit in Darrens Herzschlag. Ein Defekt einer Herzklappe. Sie hielt inne, konzentrierte
Weitere Kostenlose Bücher