Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
das Schwert. Diesen tumben Bullen würde er zu gegebener Zeit vernichten. Dieser Wagner hatte keinen besonders hohen Stellenwert. Der war sicher kein Grund, die Reihenfolge seines Plans durcheinander zu bringen. Zunächst würde er Erda auf seine Seite bringen. Heute Nacht noch, gleich nachdem er den Nachbarn ihre Einkäufe gebracht hatte. Die dachten ja schließlich, er würde immer noch tagtäglich brav in seine Firma stolpern. Perfekte Tarnung erforderte eben Disziplin. Und eben diese Tarnung brachte ihm verschiedene Vorteile ein. Zum Beispiel die Zweitschlüssel ihres Wagens. Dieses Auto brauchte er heute Nacht dringender denn je
.
Der Mann ließ die Ouvertüre zu Rheingold erklingen, während er sich anzog
.
Weint nicht mehr, ihr Rheintöchter, das Gold wird euch zurückgegeben
.
‚Fürchte dich nicht Erda, ich hole dich und stelle den Urzustand wieder her
.
Loge bringt alles wieder in Ordnung
.
Spätestens, wenn Wotan besiegt ist, und Wallhall endlich brennt, wirst du verstehen.‘
Als Hauptkommissar Theobald Wagner zu Fuß an den Herrschaftswald zurückkehrte, stellte er erleichtert fest, dass das Haus der Nachbarin mit heruntergelassenen Rollläden vollends verbarrikadiert dalag. Es war jetzt beinahe halb zehn. Rosalie und Sebbi warteten sprungbereit auf dem Wanderparkplatz unweit der Siedlung. Sollte Wagner tatsächlich Hilfe brauchen, könnte er die beiden mittels Handysignal unauffällig verständigen und sie könnten theoretisch in weniger als drei Minuten über den schmalen Waldweg vor Ort sein.
Rein theoretisch! Offenbar beruhigte diese Tatsache sein Unterbewusstsein nicht im Mindesten. Herzklopfen, Kurzatmigkeit und ein erneut am Rücken klebendes Hemd verrieten seinen Gemütszustand, als er die Tür zum Haus leise und dennoch rechtswidrig mit dem kleinen Werkzeug aus seiner Hosentasche öffnete. Rechtswidrig! Sein unkorrektes Verhalten war derzeit seine geringste Sorge.
Schließlich betrat er in diesem Moment das Reich eines mutmaßlichen Serienmörders!
Da war wohl Schlimmeres zu erwarten, als eine Suspendierung. Die Eingangstür knarrte eine Idee zu laut. Von drinnen strömte ihm eine Mischung von scharfem Putzmittel und Eau de Toilette entgegen. War der Kerl etwa doch zu Hause? Hauptkommissar Wagner schob den Gedanken an ein derart schauriges Worst-Case-Szenario rasch zur Seite. Er musste jetzt unbedingt einen klaren Kopf bewahren. So leise wie möglich schloss Wagner die widerspenstige Tür hinter sich. Nach den ersten Schritten wurde ihm schmerzlich bewusst, dass ein geräuschloses Fortbewegen in diesem Haus unmöglich war. Er schaltete die Taschenlampe ein. Fabelhaft! Ein polierter, uralt anmutender Parkettboden knarrte unter jedem seiner Schritte. Trittschalldämmung kannte man in den Fünfzigern sicher noch nicht, weshalb jede seiner Bewegungen sicherlich im ganzen Haus zu hören sein würde.
‚Er ist nicht hier, er arbeitet lang und kommt nie vor zehn Uhr nach Hause!‘, versuchte Wagner sich selbst zu beruhigen. Und wenn die Alte von gegenüber nun falsch lag? In diesem Fall dürfte das aufregende Leben des höchst unvorsichtigen Herrn Hauptkommissars von irgendeiner antiken Waffe durchbohrt und mit einem minderwertigen Ring im Enddarm hier und heute ein jähes Ende finden. ‚Quatsch! Geh weiter, Blödmann. Konzentrier dich‘, befahl er sich schroff. Im Licht der Taschenlampe vermittelte das Haus den Anschein, als wäre es zur Gänze direkt aus den fünfziger Jahren in die Jetzt-Zeit katapultiert worden. Die Möbel in der Diele waren alt, aber perfekt gepflegt. Eine Garderobe aus dunklem Holz hing vereinsamt, ohne Kleidungsstück, Hut oder Schirm daran, an der Wand neben der Tür. Nichts deutete auf eine etwaige Benutzung dieses Möbelstücks oder dessen Eigentümer hin. Die kleine Kommode unterhalb dieses leeren Gerippes war mit einem gehäkelten weißen Deckchen verziert. Wagner richtete den Lichtkegel nach rechts. Die Küche. Alter Linoleumbelag auf dem Boden, weiße Hängeschränke und Unterbauschränke, ein Gasherd, eine alte Keramikspüle. Der Kühlschrank war offensichtlich das einzige Möbelstück jüngeren Datums. Wagner öffnete die Tür. Obst, Salat, Gemüse, Naturjogurt in großen Bechern. Frischhaltedosen mit nicht näher definierbarem Inhalt. Er verzichtete darauf, die Schüsseln zu öffnen. So genau wollte Hauptkommissar Wagner dann doch nicht wissen, was Albert Müller zu Abend aß. Die Alte von gegenüber kochte bestimmt ab und an für den perfekten Herrn
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