Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ring von Ikribu

Titel: Der Ring von Ikribu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
Vom Netzwerk:
auch nicht sein angeblich grauenvolles Gesicht ansehen müssen.
    »Na, was sagt Ihr?« fragte er.
    Seine Stimme klang undeutlich, als käme sie aus dick geschwollenen Lippen. Nur auf seinen Hinterkopf fiel ein wenig des fernen Feuerscheins aus dem Lager, so dass Sonja sein verunstaltetes Gesicht kaum zu sehen vermochte. Eine plötzliche Brise, die durch die Bäume ringsum wehte, brachte die Feuer zum Flackern, und nun huschten unaufhörlich Schatten über sein entblößtes Gesicht. Allein das Weiß der Augen schimmerte aus der schwarzen Fläche über dem Hals. Eines stand etwas tiefer als das andere … Ein Kranz verfilzter dicker Haare klebte an den Seiten, und einzelne Strähnen, die zum Teil den fernen Feuerschein einfingen, flatterten im Wind. Aber das Gesicht selbst war undeutlich, trotzdem erweckte es in Sonja einen ungeheuren Abscheu, als spiegle es all die Grauen und Ängste ihres Herzens. Es war, als wäre Pelides’ schwarzes, verzerrtes Gesicht – das klumpig und von hervorquellenden Adern durchzogen zu sein schien, das zerfallene Muskeln, zerstörte Züge und grässliche Wucherungen ahnen ließ – irgendwie ein Spiegel, der ihr die heimlichen Ängste ihrer Kindheit zeigte, den entsetzlichen Mord an ihrer Familie, die unmenschlichen Abscheulichkeiten, gegen die sie in anderen Ländern gekämpft hatte, der eisige Griff unirdischer Grauen, den sie manchmal auf ihren Reisen gespürt hatte -Mitternächte allein in der Wildnis, auf schroffen Bergen, in trostlosen Wüsten und unheimlichen Wäldern. Sie stellte sich weichen Teer vor, geformt von den geschickten Fingern eines wahnsinnigen Künstlers, dem ein Hexer die Fähigkeit eingehaucht hatte, erschreckende, seelenlose Muster unbeschreiblichen Grauens vorzutäuschen, damit jene, die die so gestaltete Form erblickten, sofort die entblößten Ängste ihrer eigenen Seele in ihr sahen. Sie entsann sich ihrer eigenen Worte, dass die Stärke eines Zauberers in der Hervorrufung von Furcht liegt. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass Asroth – wer immer oder was immer er war – Pelides zum lebenden Spiegel teuflischer Trugbilder gemacht hatte. Welch schreckliche Visionen mussten ihn quälen, da er wusste, dass er ein wandelndes, atmendes, veränderliches Werkzeug wahnsinnigen Zaubers war.
    Sie blickte weg, denn sie war nicht mehr imstande, Pelides auch nur indirekt anzusehen.
    »Genug, Pelides!« knirschte sie mit einem Klumpen in der Kehle. »Ihr könnt mein Mitleid nicht erregen.«
    »Nein.« Seine Stimme klang nun wieder zischelnd. »Nicht Mitleid, Rote Sonja. Aber vielleicht Verständnis, ungeahnte Ängste, Hass und das Verlangen nach Rache. Habt Ihr Euch in meinem Gesicht gesehen? Es hat schon manche in den Wahnsinn getrieben.«
    »Verschont mich damit, Pelides!« knurrte sie drohend.
    »Das habe ich, Hyrkanierin«, erwiderte er, »wie Ihr genau wisst!«
    Sie wartete und lauschte den Geräuschen, als er den Helm wieder über den Kopf stülpte. Ein kalter Schauer ließ sie erzittern, und selbst als Pelides ihr versicherte, dass sie sich wieder ihm zuwenden könnte, war sie vorsichtig. Vielleicht belog er sie. Vielleicht war sie jetzt imstande, durch die Maske zu blicken, nachdem sie ihn ohne sie gesehen hatte …
    »Ich beobachte Euch weiter, Hyrkanierin.« Pelides’ Stimme hatte wieder den ätzenden Klang wie oft schon früher. »Ihr wisst, wo der Ring ist. Hat Olin ihn? Dieser Jüngling Allas? Oder habt Ihr ihn selbst? Wechselt ihr euch gar in seinem Besitz ab, um mich irrezuführen?«
    »Euer Gesicht hat sich auf Euren Geist geschlagen, Pelides.«
    Er lachte rau. »O ja, Rote Sonja, das hat es – aber auf andere Weise, als Ihr verstehen könnt. Möglicherweise hat dieser geistesschwache Riese Som ihn jetzt. Nun, wir werden sehen!«
    Sonja schluckte. Das Eis in ihr taute, schmolz von ihren Armen und Beinen.
    »Ich beobachte«, warnte Pelides erneut, dann zog er sich zurück, ganz langsam, als müsse er jeden Schritt genau abwägen.
    Sonja, die immer noch vor unterdrückter Furcht, das grauenvolle Gesicht deutlicher ansehen zu müssen, zitterte, blieb noch eine Weile stehen, bis sie sicher war, dass Pelides Lord Olins Zelt betreten hatte.
     
    Später saß sie mit Olin an ihrem Lagerfeuer, aber sie hatte ihm nicht erzählt, was Pelides getan hatte. Der Herzog schlief bereits, wie die meisten im Lager. Sie und Olin sprachen, von anderen Dingen. Ein paar Mal deutete er seine Zuneigung zu ihr an, vermied jedoch an den Schwertkampf auf dem Hügel zu erinnern. Doch

Weitere Kostenlose Bücher