Der Ripper - Roman
uns von den Fesseln befreit haben, also hör auf, mit mir zu zanken und fessel mich.«
Ich ließ den Riegel der Luke los und nahm das Seil. Sie drückte die Arme an die Seiten, bereit, sich wie ein Paket verschnüren zu lassen.
»Legen Sie sich hin«, sagte ich.
»Du musst mich erst fesseln.«
»Nein.«
»Trevor!«
»Also gut!« Die Vorstellung, wieder splitternackt dazustehen, sagte mir zwar überhaupt nicht zu, doch ich brauchte beide Hände. Also warf ich die Decke auf die andere Koje. Trudy wandte sich ab. Allerdings nicht, bevor sie einen guten Blick erhascht hatte.
Wieder auf den Knien, schob ich ein Ende des Seils unter ihrem Arm und dann unter ihrer Taille hindurch und wickelte es um sie.
»Fester«, sagte sie. »Er darf keinen Unterschied bemerken.«
Ich riss fest an dem Seil. Trudy zuckte zusammen. Zwar hatte sie wegen ihrer garstigen Art durchaus einen kleinen Denkzettel verdient, aber ich bereute es sofort und entschuldigte mich.
»Halt den Mund und mach einen Knoten.«
»Darauf würde ich lieber verzichten. Wie wäre es, wenn ich es so lasse? Ich decke Sie zu und Sie legen sich hin und tun so, als würden Sie schlafen. Ich tue das Gleiche. Wir warten auf den richtigen Augenblick, dann stürzen wir uns auf Whittle und erwürgen ihn.«
»Wir werden uns auf keinen Fall auf Whittle stürzen.«
Ich seufzte.
Dann gehorchte ich, eilte zu meiner Koje und sammelte die Stricke ein, mit denen mich Whittle gefesselt hatte. »Und ich soll mich jetzt also selbst fesseln?«
»Fang mit den Füßen an. Das dürfte doch wohl nicht so schwer sein.«
Ich schwang die Beine auf die Koje und ließ einen der Stricke dazwischen fallen. Dann zog ich die Decke über meinen Schoß.
»Was tust du da?«, fragte Trudy ungehalten.
»Ich mag ja ein dummes Kind und ein Narr sein, vielen Dank auch, aber ein Feigling bin ich nicht.«
»Du legst sofort die Fesseln an!«
»Ich habe eine bessere Verwendung für Whittles Strick.«
Ich zog die Decke bis zum Hals, legte den Strick quer über die Brust und schlang die Enden je einmal um meine Hände.
»Was hast du vor?«
»Ich spiele Thug.«
»Wovon redest du da?«
»Die Thugs sind eine Sekte fanatischer Mörder aus Indien, die ihre Opfer mit einer Garotte erwürgen …«
Der Türriegel wurde zurückgeschoben, und ich verstummte sofort. Die Tür ging auf, und Whittle trat ein. Er trug eine Flasche und einen dampfenden Topf mit einem Löffel dazu. Er klemmte sich die Flasche unter den Arm, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich.
So waren nicht nur wir hier drinnen gefangen, sondern Michael draußen gehalten. Vermutlich hielt Whittle alle Türen und Luken verschlossen, um nicht befürchten zu müssen, dass sich jemand unter Deck schlich, um einen Befreiungsversuch zu unternehmen.
Die Mühe hätte er sich sparen können. Wie ich später herausfand, fehlte Michael der Mumm für so ein Unternehmen.
»Setz dich auf, meine Liebe«, sagte Whittle in dem undeutlichen Tonfall, den er der fehlenden Nase verdankte. »Wir wollen doch nicht, dass du uns vom Fleische fällst.«
Er kniete sich vor Trudy hin und hielt ihr den Topf vors Gesicht. Mit der anderen Hand löffelte er ihr Essen in den Mund.
»Sehr schmackhaft, wage ich zu behaupten. Ich halte mich zwar keinesfalls für einen Meister der Kochkunst, aber dieser Eintopf ist tatsächlich außergewöhnlich gut gelungen.«
Es roch köstlich. Mir lief das Wasser in meinem ausgetrockneten Mund zusammen, mein leerer Magen meldete sich lautstark.
Ich schlüpfte unter der Decke hervor und schwang mich aus der Koje. Trudy sah mich an und schüttelte kauend den Kopf. Alarmiert wollte Whittle über die Schulter sehen. Ich sprang. Ließ den Strick an seinem Gesicht vorbeipfeifen.
Riss ihn zurück, während ich mich gleichzeitig gegen Whittles Rücken stemmte. Die Wucht ließ einen Löffel Eintopf in Trudys Gesicht spritzen. Dann stieß Whittle sie um und kam auf ihren Oberkörper zu liegen.
Ich ritt auf seinem Rücken und zog mit aller Kraft an dem Strick. Whittle keuchte und röchelte. Er bäumte sich unter mir auf und stieß mit dem Löffel nach meiner Schulter. Mit der anderen Hand kippte er mir den Topfinhalt über den Rücken. Der Eintopf war heiß genug, dass es wehtat, aber nicht so schlimm, dass ich losgelassen hätte. Ich würgte ihn weiter.
Mit Trudys Unterstützung hätte ich den Ripper in diesem Augenblick töten und der Welt einen ganzen Haufen Kummer ersparen können.
Aber sie lag ja hübsch gefesselt da,
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