Der Riss im Raum
sein wird, wenn unsere Astronauten erst einmal einen bewohnten Stern betreten. Man paßt sich leichter an die Schwerelosigkeit, an das Vakuum oder sogar an einen Sandsturm an als an feindliche Lebewesen.«
Fortinbras, der eine ganz aus der Art geschlagene Vorliebe für Kakao hatte, kam ins Labor getrottet. Seine Schnauze zitterte erwartungsvoll. Er richtete sich auf die Hinterpfoten und stützte seine schweren Pranken auf die Schultern von Charles Wallace.
Dr. Colubra fragte Meg: »Dann hältst du also die Erstkläßler in der Dorfschule für feindliche Lebewesen?«
»Natürlich. Charles ist anders als sie, also lehnen sie ihn ab. Wer aus der Reihe tanzt, wird immer abgelehnt.«
»Bis man sich an ihn gewöhnt«, sagte die Ärztin.
»An Charles werden sie sich nie gewöhnen.«
Charles Wallace kraulte den Hund und sagte: »Fort will auch seinen Anteil; er trinkt gern Kakao.«
»Seltsame Haustiere habt ihr!« stellte Dr. Louise fest, goß aber etwas von dem Getränk in eine flache Schüssel. »Meg, du hast die Tassen vergessen.«
»Oh! Verzeihung!« Sie lief in die Küche, nahm den Stapel aus dem Schrank und kehrte damit ins Labor zurück.
Dr. Louise stellte die Tassen in Reih und Glied und schenkte ein. »Da wir gerade von Haustieren sprechen: Was macht denn meine Namensschwester?«
Um ein Haar hätte Meg die Tasse fallen lassen, die sie soeben ihrer Mutter reichen wollte. Was sollte diese plötzliche Frage? Meg versuchte in Dr. Louises Miene zu lesen; aber ihr Vogelgesicht verriet nicht mehr als leicht amüsiertes Interesse. Charles Wallace hatte wirklich recht: Dr. Louise verstand es meisterhaft, auf einer Ebene zu sprechen und auf einer anderen zu denken.
Charles Wallace antwortete: »Louise die Große ist ein Prachtexemplar. Ob sie wohl auch Kakao mag? Oder doch lieber Milch, wie alle Schlangen?«
Frau Murry sagte rasch: »Daß du mir aber ja nicht noch einmal aus dem Haus gehst, um herauszufinden, ob dein Prachtexemplar kakaosüchtig ist! Morgen ist auch noch ein Tag; dein Forscherdrang muß eben warten. Außerdem schläft Louise bestimmt um diese Zeit.«
Dr. Louise goß vorsichtig den letzten Kakaorest in ihre Tasse und schüttelte den Kopf. »Irrtum, meine Liebe. Manche Schlangenarten sind regelrechte Nachtschwärmer. Vor Jahren, als ich auf den Philippinen in einem Krankenhaus tätig war, hatte ich eine Boa Constrictor als Hausgefährtin. Wir litten ziemlich unter der Rattenplage, und meine Boa Constrictor sorgte mit großem Eifer dafür, daß sich die Brut nur in Grenzen vermehren konnte. Außerdem hatte sie eine Schwäche für Champignoncremesuppe. Kakao habe ich ihr allerdings nie angeboten. Ach, wir waren ein Herz und eine Seele! Halbe Nächte verbrachten wir gemeinsam, so zutraulich und kuschelig war das Vieh.«
Meg konnte sich nicht vorstellen, mit einer Schlange kuscheln zu wollen; nicht einmal mit Louise.
»Meine Boa hatte auch ein untrügliches Gespür für das Wesen eines Menschen. Sie war an sich ein freundliches Geschöpf, und wenn sie erkennen ließ, daß sie jemanden mochte oder ablehnte, nahm ich das ernst. Einmal wurde ein Mann eingeliefert, der offenbar nur eine leichte Blinddarmreizung hatte. Gegen diesen Patienten entwickelte meine Boa Constrictor von allem Anfang an heftige Abneigung – und tatsächlich wollte der Mann gleich in der ersten Nacht seinen Bettnachbarn umbringen. Zum Glück gelang es uns, ihn daran zu hindern. Ja, die Schlange hatte alles geahnt! – Von dem Tag an folgte ich blind ihrem Rat.«
»Fortinbras weiß auch instinktiv über Fremde Bescheid«, sagte Frau Murry. »Zu schade, daß wir Menschen diese Begabung verkümmern ließen.«
Schon wollte Meg sagen: »Louise die Große reagiert nicht anders!« Aber dann hätten Mutter oder die Ärztin bestimmt wissen wollen, auf welche Beobachtung sie diese Behauptung stützte; Bemerkungen dieser Art nahm man bloß den Zwillingen ungefragt ab.
Charles Wallace betrachtete Dr. Colubra aufmerksam und nachdenklich. Sie hatte sich auf das rote Ledersofa zurückgezogen, wie ein Kind die Beine unter das Knie geschlagen und schlürfte behaglich ihren Kakao. Sie war wirklich sehr klein, sogar kleiner als Meg.
»Wir nehmen Louise sehr ernst, Dr. Louise«, versicherte er. »Sehr, sehr ernst.«
Die Ärztin nickte. Ohne die Tonlage zu verändern, sagte sie: »Genau das wollte ich euch nahelegen.«
Calvin trank aus. »Vielen Dank. Ich muß jetzt wirklich nach Hause. Bis morgen, in der Schule, Meg! Nochmals besten Dank, Frau
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