Der Ritter von Rosecliff
absurden Prophezeiungen des alten Wiegenlieds! Wenn man die englischen Burgen als wachsende Steine deuten will - von mir aus! Aber Dunkelheit zur Mittagszeit und Hitze im Winter?« Er warf den Kopf zurück. »Dieses Jahr ganz bestimmt nicht! Die Sonne hängt wie immer am Himmel, und der nächste Winter wird sicher genauso kalt wie der letzte sein. Ich habe mein ganzes Leben in diesen wilden Wäldern verbracht. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass irgendwelche Veränderungen bevorstehen. Die Engländer werden bestimmt nicht siegen, dafür werde ich sorgen!«
Newlin seufzte. »Wie du meinst junger Rhys. Dein Vater hat diesen Kampf geführt, und du setzt sein Werk fort. Aber kennst du deinen Feind überhaupt?«
»O ja, ich kenne meinen Feind! Er ist ein Mann wie jeder andere - er blutet und stirbt wie jeder andere Mann.«
»Und er liebt wie jeder andere Mann.«
»Uns liebt er jedenfalls nicht! Verschwinde, alter Mann! Diesen Kampf werden jüngere und mutigere Männer als du führen.«
Der Barde hinkte davon. Rhys hörte hinter sich das nervöse Gemurmel seiner Männer. Wie absurd, dass sie Angst vor einem kleinen Krüppel hatten, der Blödsinn schwafelte. Was mochte er mit der Bemerkung gemeint haben, dass die Engländer genauso liebten wie andere Männer? Sie liebten es, fremdes Land zu stehlen. Sie liebten es, fremde Frauen zu stehlen. Sie ergossen ihren schmutzigen Samen in walisische Frauen und bevölkerten das Land mit ihren englischen Bastarden.
Plötzlich zog Rhys scharf den Atem ein. Die englischen Bastarde!
Jetzt wusste er, wie er sein Ziel erreichen konnte. Randulf Fitz Hugh hatte drei solcher Bastarde gezeugt und man sagte, er sei völlig vernarrt in die Bälger. Sie waren sein schwacher Punkt, und diese Schwäche galt es auszunutzen.
Ein herrliches Machtgefühl überflutete Rhys. Er würde Fifz Hughs Kinder als Geiseln nehmen. Sie waren zwar auch Josselyns Kinder, aber davon durfte er sich nicht beeinflussen lassen. Gegen seinen Willen dachte er trotzdem an ihr ältestes Kind, ein süßes kleines Mädchen. Josselyn hatte ihn damals immer ermutigt mit Isolde zu spielen ...
Zum ersten Mal in seinem jungen Leben hatte sich damals ein Mensch um ihn gekümmert. Als mutterloser Junge, dessen Vater für ihn nur Prügel übrig hatte, war er von Josselyns Fürsorge überwältigt gewesen und hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt wie die Motte zum Licht.
Doch das war lange her, rief er sich streng zur Ordnung. Danach hatte Josselyn Verrat an ihrem Volk begangen und den Engländern geholfen, sich in Wales festzusetzen. Wenn er seine Feinde besiegen wollte, durfte er sich nicht von sentimentalen Erinnerungen ablenken lassen. Dies war ein Kampf ums Überleben, und da war jedes Mittel erlaubt.
Wenn er kleine Kinder als Waffe einsetzen konnte, würde er es tun.
Kapitel 5
Es war ein guter Plan, gab Rhonwen zu. Die Waliser konnten die Festung der Engländer nicht stürmen ein solcher Versuch wäre glatter Selbstmord. Eine Geiselnahme würde zur Folge haben, dass die Engländer die Burg verließen, um die Kinder zu finden. Dann könnte man sie auf offenem Gelände angreifen und möglicherweise besiegen. Vielleicht wäre Randulf Fitz Hugh aber auch zu Verhandlungen bereit und es käme zu keinem Blutvergießen. Trotzdem hatte Rhonwen Bedenken.
»Es sind doch Kinder«, protestierte sie. »Es wäre grausam, sie zu entführen.«
»Hast du vergessen, Rhonwen, dass du und ich auch Kinder waren, als die Engländer in unser Land kamen?«
»Aber sie haben uns nie entführt uns nie für ihre Zwecke missbraucht.«
»Mich haben sie missbraucht«, murmelte Rhys verbittert.
Rhonwen runzelte die Stirn. »Randulf Fitz Hugh hat dich überlistet aber er hat keine Gewalt angewandt.«
»Wegen dieser List konnte Jasper Fitz Hugh meinen Vater ermorden!« Rhys knirschte vor Wut mit den Zähnen.
Er hatte noch nie mit Rhonwen über jenen Vorfall geredet aber die Geschichte war allgemein bekannt: ein sechsjähriger Junge hatte seinem gefühllosen und grausamen Vater beweisen wollen, dass er schon ein Mann war. Die Engländer hatten ihn geschnappt und Randulf Fitz Hugh hatte das Kind geschickt zum Reden gebracht und auf diese Weise erfahren, wo Owain ihm und seinen Leuten auflauerte. Das hatte den Engländern einen leichten Sieg beschert. Rhonwen wusste, dass Rhys glaubte, ungewollt den Tod seines Vaters verschuldet zu haben. Deshalb hegte er einen so abgrundtiefen Hass gegen Randulf und Jasper Fitz Hugh.
Sie konnte seinen
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