Der Ritter von Rosecliff
werfen! Vielleicht konnten die Enten den Stoff gebrauchen, um ihre Nester zu polstern. Sie riss eine der seltenen Glasscheiben auf; atmete die frische Luft in vollen Zügen ein, betrachtete die Landschaft ihre geliebten Wälder und Hügel - und wurde wieder von Kummer überwältigt.
Sie wollte nach Hause!
Doch wo war sie zu Hause?
Ihr Leben war ein genauso hoffnungsloses Gewirr wie die Stickerei mit den verknoteten Fäden! Wenn sie Jaspers Gefangene blieb, würde sie irgendwann seiner Lust zum Opfer fallen - und ihrer eigenen Lust!
Ein bitteres Lachen entrang sich ihrer Kehle. Nicht ein-mal darauf, dass er sie begehrte, konnte sie sich viel einbilden. In erster Linie wollte er sie bei sich behalten, um Rhys in eine Falle locken zu können. Und sollte es Rhys wie durch ein Wunder gelingen, sie zu befreien, würde er verlangen, dass sie ihre Dankbarkeit unter Beweis stellte.
Selbst wenn sie aus eigenen Kräften fliehen könnte, wüsste sie nicht wohin. Zurück zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater? Keine verlockende Aussicht! Das war das eigentliche Problem - nicht nur ihres, sondern das aller Frauen. Von einer Frau wurde erwartet dass sie unter dem Dach ihrer Eltern, ihres Ehemanns oder der Kirche lebte - eine andere Wahl blieb ihr nicht! Niemand traute einer Frau zu, dass sie auch auf eigenen Füßen stehen könnte ...
Dann betrat Enid summend das Zimmer, legte saubere Wäsche in eine Truhe, stellte neue Kerzen in die Leuchter, vergewisserte sich, dass genügend Wasser im Waschkrug war ... Rhonwen beobachtete die Frau, die sie auf der Fensterbank nicht bemerkte. Enid hatte ein Dach über dem Kopf, immer genug zu essen und verdiente sogar noch etwas Silbergeld. Davon konnten viele Töchter und Ehefrauen nur träumen! Vielleicht sollte auch sie selbst irgendwo eine Arbeit annehmen - jedenfalls bis sie ihren Traummann finden würde!
»Darf ich Rands Schreiben sehen?«, fragte Jasper. Seine Schwägerin gab es ihm und beobachtete ihn scharf, während er es mehrmals durchlas.
»Rand hat sich mit Lamonthe auf ein gefährliches Spiel eingelassen«, murmelte er schließlich.
»Was meinst du damit?«
Jasper schnitt eine Grimasse. Er hatte sie nicht beunruhigen wollen. »Nur dass ich Lamonthe nicht über den Weg traue. Wer weiß, ob der Kerl sich wirklich an seine Zusagen halten wird?«
Josselyn runzelte die Stirn. »Ich traue ihm auch nicht über den Weg. Du hältst es also für möglich, dass er Matilda Hilfe versprochen hat ohne sich an sein Wort halten zu wollen?«
»Ich vermute, dass er sowohl Matilda als auch Stephan seine Treue gelobt und dann abwartet, welcher der beiden Thronanwärter ihm nützlicher sein könnte.« Jasper überlegte. »Lamonthe interessiert sich nicht für die Angelegenheiten des englischen Königreichs. Ihm geht es nur darum, seine eigene Machtstellung hier in Wales weiter auszubauen. Wenn er sich zum Schein mit uns oder anderen Lords der Grenzgebiete verbündet hat er Gelegenheit unsere Schwächen auszuspionieren. Vergiss nicht - Gerüchte besagen, dass er den Tod seines Schwiegervaters beschleunigt hat. Und seinen Schwager hat er mit einem Auftrag nach Chester geschickt, wo der Mann das Pech hatte, in einer Taverne erstochen zu werden!«
»Wodurch Lamonthe weitere Landstriche unter seine Kontrolle bringen konnte«, fügte Josselyn hinzu und faltete nervös die Hände. »Verheimlicht Rand mir irgendetwas, Jasper? Bitte, sag mir die Wahrheit denn ich möchte ihm helfen, alle schweren Lasten zu tragen, unter denen er leidet.«
Jasper nahm ihre Hände in die seinen. »Rand hat keine Geheimnisse vor -dir, Josselyn. Aber wenn du ihm helfen willst, solltest du seine Pläne für Gavin und Isolde akzeptieren. Er möchte auf diese Weise doch nur ihre Zukunft sichern'- und die Zukunft von Rosecliffe.«
»Verfolgst du ähnliche Ziele? Hältst du Rhonwen deshalb gefangen?«
Er ließ ihre Hände los. »Ich will Rhys, und eines nicht allzu fernen Tages wird er hier im tiefsten Kerker schmachten, das schwöre ich dir!«
»Du tust das wirklich nur für die Sicherheit von Rosecliffe?«
»Natürlich, warum denn sonst?«
Josselyn zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich wünschte nur, es gäbe einen Weg zur Versöhnung zwischen dir und Rhys.«
Jasper fuhr sich seufzend mit den Fingern durch die Haare. »Ich habe seinen Vater getötet und das wird er mir nie verzeihen. Dass ich es tat um dich in letzter Sekunde zu retten, interessiert ihn nicht.«
»Ich weiß ... « Auch Josselyn
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