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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Staub und Dreck klebten auf den Karosserien.
    Das laue Wetter hatte die Menschen ins Freie getrieben. Hier lebten viele Farbige.
    Abe Douglas runzelte die Stirn, was mir wiederum auffiel. »Was ist mit dir?«
    »Ich weiß nicht, John, aber mir gefällt die Sache nicht. Ich habe das Gefühl, als würde sich hier einiges zusammenballen.«
    »Ein Gewitter?«
    »So ähnlich. Nur eines, das aus Emotionen besteht, weißt du? Wenn man so lange in dieser Stadt lebt wie ich, dann hat man einfach das Gespür für gewisse Dinge.«
    Mir gefiel das Haus nicht. Ich kannte unzählige mit einer solchen oder ähnlichen Fassade, ich hatte aber gleichzeitig das Gefühl, als würde von der Fassade her eine finstere Drohung ausgehen, die uns in Wellen entgegenschwappte und uns gleichzeitig auch vor gewissen Dingen warnte. Unwillkürlich tastete ich nach meinem Kreuz. Ich wollte überprüfen, ob es sich erwärmt hatte.
    Da war nichts.
    Ich dachte an die Bilder, die uns Abe Douglas gezeigt hatte. Ein rollender Galgen, über dessen Brett eine Schlinge baumelte. Das Haus wirkte so, als könnte jeden Augenblick eben dieser Galgen aus seinem Eingang geschoben werden.
    Das Kreuz hatte sich nicht erwärmt. Also befand sich keine Schwarze Magie in der Nähe, was allerdings nichts zu sagen hatte, denn sie konnte auch weiter entfernt konzentriert sein.
    »Was gefällt dir nicht?« fragte Suko.
    »Eigentlich alles.«
    »Man hält uns unter Kontrolle«, sagte Abe. Wahrscheinlich meinte er damit die Jugendlichen vor dem Gebäude. Sie alle sahen anders aus als wir. Sie stammten von einer alten Rasse ab. Obwohl sie nichts taten, sah man ihnen ihre Wildheit an. Es lag nicht nur an der Kleidung oder an ihren ›Frisuren‹. Diese jungen Leute wirkten wie aufgezogene Gestalten, die man nur einzuschalten brauchte, damit sie starteten.
    »Hinein kommen wir«, sagte Abe.
    Suko und ich wußten, was er damit meinte. »Und wie ist es mit dem Hinauskommen?« fragte ich.
    »Abwarten.«
    »Dann los!«
    Suko setzte sich in Bewegung. Er ließ einen Wagen vorbeirollen, dessen Verdeck zurückgeklappt war. Zwei buntgekleidete Männer hockten darin. Der eine schleuderte uns eine Zigarettenkippe direkt vor die Füße und verschwand.
    Die Haltungen der Jugendlichen änderten sich unmerklich, als sie sahen, daß wir auf den Eingang zusteuerten. Sie hockten auf Kisten und Bänken, einer auf einem Fahrrad, zwei andere in den Sätteln einer älteren Honda.
    Wie auf Kommando schoben sie sich zusammen. Sehr langsame, fast zeitlupenhafte Bewegungen. Sie wirkten dabei irgendwie desinteressiert, doch sie behielten uns genau im Blick.
    Wir waren Fremde. Zwar ging Suko mit uns, doch die jungen Leute erkannten sehr schnell, daß er sich uns zugewandt hatte. Wir kamen nicht ins Haus.
    Zu fünft versperrten sie den Eingang. Einer trat einen kleinen Schritt vor. Sein Oberkörper war nackt. Er hatte ihn an einigen Stellen mit bunter Farbe angemalt. Als Hose trug er eine Fetzenjeans. Das Haar bildete im Nacken einen Pferdeschwanz.
    Er sagte nichts. Seine Geste war deutlich genug. Er schüttelte kurzerhand den Kopf.
    »Was ist?« fragte Douglas.
    »Ihr kommt hier nicht rein.«
    »Und weshalb nicht?«
    »Weil das eine Reservation ist. For Indians only, du verstehst nicht? Ihr Weißen habt die Reservationen damals gegründet. Jetzt müßt ihr sie auch akzeptieren.«
    »Da hast du recht. Nur sind wir verabredet. Mit einem von euch, der mehr denken kann als du, weil er schon die Weisheit des Alters besitzt. Sag Joseph, daß wir hier sind. Sag es schnell, sonst wird er dir zeigen, wo es langgeht.«
    »Joseph spricht nicht mit den Weißen.«
    »Bei uns macht er eine Ausnahme. Lauf hin und frage ihn, aber beeile dich, Junge.«
    Er holte tief Luft. Sein Brustkorb schwoll dabei an. Dann nickte er. »Ich mache eine Ausnahme.« Er drehte sich um und verschwand im Halbdunkel des Hausflurs, wo sich ebenfalls Menschen aufhielten, deren flüsternde Stimmen uns entgegenwehten, zusammen mit dem Gedudele von Radios und TV-Geräten.
    Wir warteten. Die Lücke, die er hinterlassen hatte, war von den anderen sofort wieder geschlossen worden.
    Es verstrichen mehrere Minuten. Im Flur herrschte Betrieb. Einmal verließ ein Mann das Haus. Er ging gebückt, als hätte er Hiebe bekommen. Uns bedachte er mit keinem Blick.
    Dann kam der Junge zurück. »Er will euch tatsächlich sehen«, erklärte er, »geht hinein.«
    Die anderen machten Platz.
    Ich atmete auf, weil die Aktion bisher friedlich abgelaufen war. Der

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