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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Hausflur roch fremd. Viele Gewürze und Riechstoffe kannte ich nicht. Die Wände zeigten Bilder aus Sprühdosen, vermischt mit Parolen und Sprüchen.
    Die meisten Texte besaßen einen aufrührerischen und kämpferischen Inhalt. In markigen Worten wurde das Land zurückgefordert, das den Indianern abgenommen worden war.
    Der Junge war mit uns gegangen. »Wo finden wir Joseph denn?« fragte Douglas.
    »Du bist ein Bulle, wie?«
    »Wie kommst du darauf?«
    Er deutete auf seine Nase. »Das rieche ich. Bullen stinken.«
    Ahe lachte. »Und ich dachte schon, dieser Strenge Geruch stammte von dir. Wo wohnt er also?«
    Der Junge deutete nach rechts, in eine Nische. »Hier hat er sein Tipi.«
    »Tipi ist gut.«
    »Viel Spaß.« Der Knabe schlich davon. An der Tür lachte er, drehte sich und hielt plötzlich einen Tomahawk in der Hand. »Mit den alten Waffen werden wir euch schlagen, das schwöre ich.«
    Ahe winkte ab. »Die Sprüche habe ich schon oft genug gehört.« Dann klopfte er.
    Wir hörten eine schwach klingende Stimme. Verstehen konnten wir das Wort nicht, sahen es jedoch als Aufforderung an und öffneten die versteckt liegende Nischentür.
    Was wir zu sehen bekamen, war einmalig. Ein Kramladen, ein Museum, ein Abfalleimer. Für dieses große Zimmer paßte jeder Begriff. Der Raum war vollgestopft mit Kram.
    Mit alten Fellen, Teppichen, Waffen, Landkarten — mehr vergilbte Fetzen -, auch Trögen, Schalen und Decken. Pfeifen lehnten an Stapeln von Zeitungen, die Decke war rauchgeschwärzt.
    Inmitten des Krempels saß er wie ein King.
    Joseph hockte auf mehreren Fellen in der Mitte des Raumes. Um sich herum den Krempel. Als weitere Sitzgelegenheiten dienten Kisten, die er gestrichen hatte.
    Auch dieser Raum beinhaltete einen Geruch, bei dem sich mir der Magen umdrehte. Es stank nach ranzigem Fett.
    Das Fenster lag sehr niedrig. Die letzten Sonnenstrahlen wischten vielleicht über das Dach des Hauses, sie erreichten die niedrigen Fenster allerdings nicht mehr.
    Suko und ich hatten schon viele Merkwürdigkeiten erlebt, um über gewisse Dinge noch lachen zu können. Joseph gehörte zu den Menschen, die sich nicht einordnen ließen, wenigstens was sein Äußeres betraf. Wegen der Hitze hatte er auf eine Oberbekleidung verzichtet. Dafür hatte er den Oberkörper mit einem stinkenden Fett eingerieben. Die Haut glänzte wie eine faltige Schwarte. Ebenso faltig war das bemalte Gesicht. Ich kannte mich mit diesen Zeichen nicht aus, konnte mir aber kaum vorstellen, daß Joseph mitten in New York auf den Kriegspfad gehen wollte.
    Er hockte im Schneidersitz auf den Fellen. Seine Beine wurden von einer ledernen Hose mit seitlichen Fransen verdeckt. Die faltigen Hände hatte er auf seine Oberschenkel gelegt. Es gab kein Licht im Raum, nicht einmal eine Kerze, und so hatten wir Mühe, überhaupt sein Gesicht erkennen zu können.
    Ich hatte den Raum als letzter betreten und schloß auch die Tür. Auf leisen Schritten ging ich Joseph entgegen und blieb zwischen meinen Freunden stehen.
    Der alte Indianer schaute uns an. Seine Augen waren fast zugewachsen, wir sahen sie nur glitzern wie Tropfen, als sein Blick zwischen uns pendelte.
    Obwohl er bisher keinen von uns gekannt hatte, wies er zielsicher auf den G-man und sagte: »Du bist Abe Douglas.«
    »Stimmt.«
    »Und deine Freunde von jenseits des großen Meeres sind auch mitgekommen. Das ist gut, sehr gut. Allein könntest du nichts ausrichten. Es ist besser, wenn ihr zu dritt seid.«
    »Und was sollen wir tun?«
    »Ihn stoppen.«
    »Meinst du den Galgen?«
    »Den auch, aber es gehört jemand dazu, der ihn befehlig, dem er gehorcht. Und das ist Aconagua.«
    Zum erstenmal war ein Name gefallen, dereine heiße Spur sein konnte. Nur wußten wir drei nicht, wo wir ihn hinstecken sollten.
    »Wer ist dieser Aconagua?« fragte ich.
    »Ein Häuptling, aber ein toter Häuptling. Er hat einmal über dieses Gebiet geherrscht. Er war mächtig, ein guter Jäger und ein ebenso guter Medizinmann, der die Welt der Geister kannte.« Joseph sprach sehr leise. Wir mußten schon genau hinhören, um ihn verstehen zu können. Auf mich wirkte er wie eine Mumie, die man vergessen hatte zu begraben. Der Topfhut mit der heraushängenden Feder sah ein wenig lächerlich aus, nur hütete ich mich, dies zu sagen. Nicht nur Joseph war es ernst.
    »Was hat man mit ihm getan?« frage Abe.
    »Die Weißen waren es, die ihm das Gebiet abnahmen, das heute Manhattan heißt. Er wollte es nicht hergeben, sie aber brauchten es.

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