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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hatte schon so lange mit Dokumenten, Berechnungen und Rechtsgeschäften zu tun, daß ihn nichts mehr erschüttern konnte. Was nicht auf Pergament geschrieben stand, interessierte ihn kaum. Die ihm übertragenen Aufgaben führte er gewissenhaft, aber ohne persönliche Anteilnahme aus. Er überbrachte Niall, dem Bronzeschmied, Wort für Wort die Botschaft des Abtes, nahm die erwartete zustimmende Antwort zur Kenntnis, übermittelte dieses befriedigende Ergebnis seinem Vorgesetzten und vergaß das Gesicht des Mieters sofort wieder.
    Nicht ein einziges Wort, das auf den Pergamenten stand, die durch seine Hände gingen, vergaß er – die waren unveränderlich, und selbst nach langen Jahren würden sie nur ein wenig verblassen. Aber das Gesicht eines Laien, den er möglicherweise nie wieder sehen würde und den schon einmal gesehen zu haben er sich nicht erinnern konnte, so ein Gesicht wurde gründlicher aus seinem Gedächtnis getilgt als die Worte, die man von einem Pergament löscht, um Platz für einen neuen Text zu machen.
    »Der Schmied hat eingewilligt«, berichtete er Abt Radulfus nach seiner Rückkehr, »und versprochen, den Auftrag gewissenhaft auszuführen.« Er hatte sich nicht einmal gefragt, warum diese Aufgabe von einem Bruder auf einen Laien übertragen worden war. Schicklicher war es ohnehin, denn die Empfängerin war eine Frau.
    »Das ist gut«, erwiderte der Abt zufrieden und tat ebenfalls die Angelegenheit als erledigt ab.
    Als Niall wieder allein war, nachdem sein Besucher gegangen war, starrte er einige Minuten ins Leere. Der fast vollendete Teller mit dem Schmuckrand lag vergessen auf seinem Arbeitstisch, Schlegel und Körner daneben. Ein kleines Stück des Randes hatte er noch zu bearbeiten, dann konnte er sich den schönen Ledergürtel vornehmen, der zusammengerollt auf einem Regalbrett wartete. Er mußte für den Guß der Gürtelschnalle eine kleine Form machen, dann das feine Muster gravieren und helles Email mischen, um die Gravur zu füllen. Schon dreimal, seit sie das Ding gebracht hatte, hatte er es aufgerollt, zärtlich durch die Finger gleiten lassen und die zierlichen Bronzerosetten bewundert. Für Judith wollte er etwas besonders Schönes machen, so klein und unbedeutend es auch war. Selbst wenn sie in dem Gürtel nur ein Kleidungsstück sah, einen Gebrauchsgegenstand, sie würde ihn am Leib tragen. Das Leder würde ihren schlanken Körper umschmeicheln, die Schnalle würde dicht auf dem Schoß liegen, der einmal empfangen, aber durch die Fehlgeburt der Frau einen so anhaltenden und bitteren Kummer beschert hatte.
    Nicht an diesem Abend, aber am folgenden, wenn es dämmerte und er keine feinen Arbeiten mehr ausführen konnte, wollte er das Haus abschließen und durch Brace Meole zum Dörfchen Pulley wandern. Dort hatten die Mortimers ein kleines Anwesen, auf dem der Mann seiner Schwester, John Stury, als Verwalter diente. Dort leisteten auch Cecilys ausgelassene Kinder seinem kleinen Mädchen Gesellschaft. Sie hatten sie ins Herz geschlossen und tobten mit ihr zwischen den Hühnern und Ferkeln herum. Er war nicht vollständig beraubt wie Judith Perle. Seine kleine Tochter war ihm ein großer Trost. Er bedauerte alle, die keine Kinder hatten, und ganz besonders die Frau, die ihr halbausgetragenes Kind am Ende doch noch verloren hatte. Judiths Kind war kurz nach dem Vater gestorben, und nur die Frau war zurückgeblieben und mußte allein und elend leben.
    Er machte sich ihretwegen keine Illusionen. Sie kannte ihn kaum, sie wünschte sicher auch nicht mehr und dachte wahrscheinlich überhaupt nicht an ihn. Gefaßte Höflichkeit schenkte sie jedermann, innige Aufmerksamkeit überhaupt keinem. Dies nahm er ohne Klage und Frage hin. Aber das Schicksal, der Abt und gewisse mönchische Skrupel, die sich um Begegnungen mit Frauen drehten, hatten zweifellos dafür gesorgt, daß er sie wenigstens an einem Tag in jedem Jahr sehen durfte. Er durfte ihr Haus aufsuchen, sich eine Weile bei ihr aufhalten, ihr übergeben, was ihr zustand, einige höfliche Worte mit ihr wechseln, ihr Gesicht von nahem besehen und umgekehrt von ihr aus der Nähe betrachtet werden, und sei es nur für einen Augenblick.
    Er ließ seine Arbeit liegen und ging durch die Hintertür in den Garten hinaus. Innerhalb der hohen Mauern gab es eine kleine Wiese mit Obstbäumen und ein Gemüsebeet. An der Seite war ein schmales Blumenbeet angelegt, in dem bunte Blumen wucherten. Der mannshohe Busch mit den weißen Rosen an der Nordmauer

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