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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Teil der Abteigärten mit der Obsternte.
    Bruder Cadfael hatte keinen besonderen Grund, ihnen Gesellschaft zu leisten, aber er hatte im Herbarium nichts Dringendes zu tun, und seine wachsende Unruhe, nachdem sie drei Tage vergeblich nach Judith Perle gesucht hatten, ließ nicht zu, daß er sich mit einer normalen Alltagsbeschäftigung die Zeit vertrieb. Bisher hatte es keine neuen Nachrichten von Hugh gegeben, und als Niall kam, um besorgt nachzufragen, hatte Cadfael ihm nichts sagen können. Die Sache war zum Stillstand gekommen, selbst die Stunden des Tages schienen den Atem anzuhalten und sich zu endloser Länge zu dehnen.
    Um sich wenigstens mit etwas körperlicher Arbeit abzulenken, ging Cadfael mit den anderen in die Obstgärten.
    Wie so oft am Ende der Jahreszeit hatte die Natur wettgemacht, was in den ersten Wochen des Frühlings durch die Kälte verloren worden war. Erdbeeren und die ersten kleinen harten Stachelbeeren an ihren dornigen Büschen waren fast zur üblichen Zeit herangereift. Cadfael war nicht bei der Sache. Die Obstgärten lagen direkt gegenüber der Stelle, an welcher die jungen Bogenschützen unter der steilen Stadtmauer und im Windschatten der Burgtürme an Markttagen ihre Zielübungen machten. Ein kurzes Stück dahinter in den ersten Ausläufern des Waldlandes lag die Walkmühle, ein Stück weiter stromab William Hyndes Ladekai.
    Cadfael arbeitete eine Weile, war aber so zerstreut, daß er sich mehr Kratzer als üblich einhandelte. Nach einer Weile richtete er sich auf, um wieder einmal einen Dorn aus seinem Finger zu saugen, und ging bis zu den ersten Bäumen am Fluß entlang. Durch die hängenden Zweige betrachtete er die Krone der Stadtmauer auf der anderen Seite, den steilen grünen Hang darunter, die erste Bastion der Burg, die schmale Wiese davor.
    Cadfael ging weiter, drängte sich durch die Bäume und erreichte eine breite Wiese, die dicht am Ufer mit niedrigen Büschen bestanden war. Wo die Strömung nur sanft war und das Wasser flach, standen einige Schilfinseln. Er war jetzt gegenüber dem Trockenhof, auf dem Godfrey Füllers Männer arbeiteten. Sie hatten ein Stück braunes Tuch zum Trocknen auf den Rahmen gespannt.
    Schließlich erreichte er die Stelle direkt gegenüber den überhängenden Büschen, wo sie das gestohlene Boot gefunden hatten. Friedlich und schläfrig lag die Flußlandschaft in der Sonne und schien zu leugnen, daß es in einer so lieblichen Welt Mord, Bosheit und Entführung geben könne.
    Cadfael ging noch etwa hundert Schritt weiter. Hier beschrieb der Fluß eine Biegung. Das gegenüberliegende Ufer war unterspült und das Wasser darunter tief, während es auf dieser Seite flach war und sich in weichen, harmlosen Wellen kaum zu bewegen schien. Dies war einer jener Orte, die Madog sehr gut kannte, denn hier trieb manchmal an, was stromaufwärts in den Fluß geworfen worden war.
    Und tatsächlich war hier in der Nacht etwas gestrandet. Es lag fast untergetaucht im Wasser und durchbrach kaum die Oberfläche. Ein dunkler Haufen, überspült von silbrig glänzendem Wasser, gestrandet im dunkelgelben Sand. Etwas Kleines, Bleiches, das sich leicht mit der Strömung bewegte und doch kein Fisch war, erregte Cadfaels Aufmerksamkeit. Die Hand eines Mannes, die herausragte aus einem dunklen, etwas aufgebauschten Ärmel, mit dem die Strömung spielte. Der braune Hinterkopf eines Mannes, der gerade eben die Wasseroberfläche durchbrach. Die Locken tanzten mit den Wellen und bewegten sich wie schläfrige Lebewesen.
    Cadfael rutschte eilig das steile Ufer hinunter und watete ins Flachwasser hinaus, um den Körper ans Ufer zu ziehen.
    Zweifellos tot, wahrscheinlich schon einige Stunden, lag der Mann nun knapp außerhalb des Wassers auf dem Bauch.
    Winzige Rinnsale strömten aus jeder Falte seiner Kleidung und aus allen Locken seines Haars. Ein junger Mann, schmuck herausgeputzt und ansehnlich. Es war viel zu spät, um etwas anderes zu tun, als ihn heimzutragen und ihm ein anständiges Begräbnis zu verschaffen. Cadfael konnte ihn nicht allein die Uferböschung hinauf und durch die Gaye schleppen; er mußte sich beeilen und sofort Hilfe holen.
    Nach seiner Statur, nach dem gewöhnlichen braunen Mantel und den Pantinen hätte er einer von hundert jungen Burschen aus Shrewsbury sein können. Es war eine verbreitete Arbeitskleidung, die er trug, und Cadfael konnte sein Gesicht nicht sehen. Er bückte sich noch einmal, um die schlaffen Arme zu packen und den toten Mann auf den

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