Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
heftiger Kampf begonnen habe, rannte Niall Hals über Kopf los. Seine ausgebreiteten Arme ertasteten zwei Körper, die sich ineinander gekrallt hatten. Er riß sie auseinander. Judiths langes Haar fiel, aus dem Knoten gerissen, über ihr Gesicht. Er nahm sie am Handgelenk, um sie hinter sich in Sicherheit zu bringen. Ein langer Arm fuhr an ihm vorbei, um sie zu treffen, und ein winziger Lichtfunke blitzte einen Moment bläulich auf einer Messerklinge.
    Niall packte den herabstoßenden Arm und zog ihn zur Seite, hakte mit den Instinkten eines Ringers sein Bein um das Knie des Angreifers und stürzte zusammen mit ihm auf den Boden.
    Sie rollten herum und kämpften, Zweige knackten unter ihnen in der Dunkelheit, Schultern prallten schmerzhaft gegen Baumstämme, sie rangen und wanden sich, der eine, um sein Messer freizubekommen, der andere, um die Klinge von sich abzuhalten oder sie in seinen Besitz zu bringen. Sie konnten gegenseitig ihren keuchenden Atem spüren, blieben in der Dunkelheit jedoch füreinander unsichtbar. Der Angreifer war stark, muskulös und entschlossen und kannte eine Menge hinterhältiger Tricks. Er kämpfte mit Kopf und Zähnen und Knien, doch er konnte sich nicht befreien und wieder auf die Beine kommen. Niall hatte sein rechtes Handgelenk gepackt, den linken Arm um den Körper des Mannes geschlungen und ihn eingeklemmt, so daß sein Gegner nur noch mit den Fingernägeln auf seinen Hals und sein Gesicht einhacken und schmerzhafte Kratzer reißen konnte. Mit einem Grunzen bäumte er sich auf, sie rollten herum und prallten heftig gegen einen Baum. Die Bewegung sollte Niall betäuben und seinen Griff lockern, weil der Angreifer das Messer freibekommen wollte, doch erreichte er genau das Gegenteil. Sein Arm, bereits geschwächt durch Nialls Griff um das Handgelenk, prallte hart vor das Holz. Vom Ellbogen bis zu den Fingern lief ein Krampf durch den Arm. Die Hand öffnete sich, das Messer entglitt ihr und fiel ungesehen ins Gras.
    Niall erhob sich benommen auf die Knie. Sein Gegner keuchte und stöhnte, während er im Laub nach seiner Waffe tastete. Er fluchte verhalten, weil er sie nicht finden konnte. Als Niall lossprang, um ihn abermals zu packen, zog sich der Gegner zurück, kam auf die Beine und rannte fort, bahnte sich krachend einen Weg durchs Unterholz und verschwand auf dem Weg, auf dem er gekommen war. Die peitschenden Äste und die raschelnden Blätter ließen erkennen, daß er tief in den Wald eindrang, bis schließlich die Geräusche in der Ferne verklangen. Er war fort.
    Niall rappelte sich auf, schüttelte seinen benommenen Kopf und lehnte sich an einen Baum. Er hatte die Orientierung verloren und wußte nicht, wo Judith war. Doch dann sagte sie leise und gefaßt: »Ich bin hier!« Eine kaum wahrnehmbare, bleiche Hand winkte ihm und schloß sich um die Hand, die er ihr entgegenstreckte. Ihre Haut war kühl und fest. Ob sie ihn kannte oder nicht, sie hatte keine Angst vor ihm. »Seid Ihr verletzt?« fragte sie. Behutsam kamen sie zusammen, vorsichtig eher aus Respekt als aus Furcht, bis ihre warmen Körper einander nahe waren.
    »Und Ihr? Er schlug nach Euch, bevor ich ihn packen konnte.
    Hat er Euch verletzt?«
    »Er hat meinen Ärmel aufgeschlitzt«, erwiderte sie, indem sie nach ihrer linken Schulter tastete. »Wahrscheinlich nur ein Kratzer – nichts Schlimmes. Ich bin nicht verletzt, ich kann laufen. Aber Ihr …«
    Sie legte die Hände auf seine Brust, tastete ihn von den Schultern bis zu den Unterarmen ab und spürte Blut. »Ihr habt einen Schnitt abbekommen – am linken Arm …«
    »Nicht schlimm«, erwiderte Niall. »Wichtig ist nur, daß wir ihn los sind.«
    »Töten wollte er«, erklärte Judith ernst. »Ich wußte nicht, daß sich Gesetzlose so nahe an der Stadt herumtreiben. Manchmal werden nächtliche Reisende schon wegen der Kleider, die sie am Leib tragen, niedergemacht, ganz zu schweigen vom Geld, das sie vielleicht bei sich haben.«
    Erst jetzt, verspätet, begann sie vor Furcht zu zittern. Er nahm sie in die Arme, um mit seiner Wärme ihre Furcht zu vertreiben, und nun erkannte sie ihn auch. Seine Stimme hatte die Erinnerung geweckt, die Berührung verschaffte ihr Gewißheit. »Niall der Bronzeschmied? Was tut Ihr hier? Welch ein Glück für mich! Aber warum seid Ihr hier?«
    »Das spielt jetzt keine Rolle«, entgegnete Niall. »Ich will Euch zuerst dorthin bringen, wohin Ihr wollt. Wenn solche Schurken unterwegs sind, könnte uns immer noch etwas geschehen. Wie

Weitere Kostenlose Bücher