Der Rosenmord
daß Ihr zu mir gekommen seid, um vor der Welt und der Dummheit der Männer zu fliehen -Anwesende natürlich ausgenommen. Aber zu Fuß zurückschleichen, nein, das sollt Ihr nicht. Nie würde ich eine Frau so schlecht gerüstet aus meinem Schutz davonziehen lassen. Ihr sollt Mutter Marianas Maultier bekommen – die arme Seele ist bettlägerig und wird ihr Reittier nicht brauchen. Ich werde Euch begleiten, um Eure Geschichte zu bestätigen. Ich muß ohnehin den Abt in einer gewissen Sache aufsuchen.«
»Und wenn sie fragen, wie lange ich bei Euch war?« zweifelte Judith.
»Während ich neben Euch stehe? Man wird nicht fragen. Und wenn, dann geben wir keine Antwort. Fragen sind wie Weidenzweige«, erklärte Schwester Magdalena, indem sie energisch aufstand, um sie zu ihren Schlafgemächern zu führen. »Man kann sie leicht beiseite schieben und hindurchgleiten, ohne hängenzubleiben.«
12. Kapitel
Die Brüder verließen nach dem Hochamt gerade die Kirche, und die Sonne stieg in einen hellblauen Himmel hinauf, als Schwester Magdalenas kleine Gesellschaft ins Torhaus der Abtei einbog. Morgen sollte St. Winifreds Prozession stattfinden, denn nicht einmal durch Morde, Entführungen und Katastrophen ließ sich der Ablauf des Kirchenjahres aus dem Takt bringen. In diesem Jahr würde es keine feierliche Prozession von St. Giles am Stadtrand zur Abtei geben, um die Reliquien auf Winifreds Altar auszustellen. Man wollte einige Messen feiern, und die Pilger, die besondere Gebete an sie zu richten hatten, durften den ganzen Tag lang ihren Schrein besuchen und um ihre Fürsprache bitten. Viele waren es heuer nicht, aber trotzdem war das Gästehaus gut besetzt, und Bruder Denis war vollauf damit beschäftigt, die Ankömmlinge zu versorgen, während Bruder Anselm sich um die Musik kümmerte, die er zu Ehren der Heiligen geschrieben hatte.
Novizen und Kinder verstanden kaum, was Stadt und Vorstadt in den letzten Tagen in Atem gehalten hatte. Die jüngeren Brüder, selbst jene, die Bruder Eluric nahegestanden hatten und von seinem Tod tief erschüttert waren, hatten ihn angesichts der freudigen Aussicht auf ein Fest, das ihnen zusätzliche Köstlichkeiten bei den Mahlzeiten und einige Freiheiten bescheren würde, fast vergessen.
Ganz anders Bruder Cadfael. Sosehr er versuchte, sich auf die Gottesdienste zu konzentrieren, seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er fragte sich unablässig, wo Judith Perle versteckt sein mochte und ob nach derart schlimmen Ereignissen Bertreds Tod tatsäc hlich nur ein Unglücksfall war oder ob auch hier ein Mord vermutet werden mußte. Aber wenn es ein Mord war, dann blieb die Frage nach dem Warum und nach dem Mörder. Zweifellos hatte Bertred Bruder Eluric umgebracht, aber alles wies darauf hin, daß er seine Herrin nicht selbst entführt hatte. Er hatte eigene Nachforschungen angestellt, wollte Judith selbst befreien und danach die gebührende Belohnung in Empfang nehmen. Fraglos hatte der Wächter die Wahrheit berichtet, wie er sie kannte. Bertred war von der Luke heruntergefallen, vom Wachhund zum Flußufer gehetzt worden und hatte einen Schlag auf den Kopf bekommen, der ihm Beine gemacht hatte. Eine Verletzung hatte er durch den Schlag bekommen, doch als die Leiche am anderen Ufer aus dem Fluß gezogen worden war, hatte sein Kopf noch eine zweite, viel schlimmere Verletzung aufgewiesen, wenn auch keine der beiden für sich genommen tödlich gewesen sein konnte. Ob ihn jemand mit dem zweiten Schlag, nachdem der Wächter seinen Hund zurückgerufen hatte, ins Wasser befördert hatte?
Wer konnte dieser Fremde sein, wenn nicht der Entführer, der durch Bertreds Erscheinen erschreckt worden war und sein Verbrechen vertuschen wollte?
Vivian Hynde half also seinem Vater bei den Herden in Forton. Nun, nicht mehr lange! Wenn er nicht vor Mittag von den Wächtern an den Stadttoren beim Heimritt aufgegriffen würde, dann würde Hugh Bewaffnete ausschicken, um ihn zu holen.
Cadfaels Überlegungen hatten gerade diesen Punkt erreicht, als Schwester Magdalena auf ihrem alten braunen Maultier gemächlich und dennoch zielstrebig im Morgenlicht zum Torhaus hereingeritten kam. Beim Reiten zeigte sie die gleiche gelassene Sicherheit wie bei allem anderen, was sie tat. Ohne Aufhebens und Getue kam sie herein und sah sich mit klaren, aufmerksamen Augen um. Neben ihrem Maultier ging der Müller von der Furt, ihr treuer Verbündeter in allen Dingen.
Schwester Magdalena würde es nie an Helfern mangeln, die
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