Der Rosenmord
junger Mann namens Bertred. Ich sage es Euch lieber jetzt«, fuhr er leise fort, als sie scharf und schmerzlich einatmete, »weil er bereits im Sarg liegt und in Eurem Haus die Vorbereitungen für das Begräbnis getroffen werden. Ich wollte Euch nicht unvorbereitet heimkehren lassen.«
»Bertred ertrunken?« flüsterte sie erschrocken. »Aber wie ist das möglich? Er konnte schwimmen wie ein Fisch. Wie konnte er ertrinken?«
»Er bekam einen Schlag auf den Kopf, der aber nicht mehr ausgerichtet hat, als ihn eine Weile zu betäuben. Und irgendwie zog er sich noch einen zweiten Schlag zu, bevor er ins Wasser stürzte. Wie auch immer, es geschah in der Nacht. Der Wächter in der Walkmühle hat es uns erzählt«, berichtete Cadfael und wiederholte fast Wort für Wort die Aussage des Wächters. Sie hörte die Geschichte in tiefem Schweigen an, und er spürte, wie sie die Nachtstunde, den Ort und gewiß auch den engen, staubigen halbvergessenen Raum hinter den Wollballen mit der Geschichte in Verbindung brachte. Es würde ihr schwerfallen, ihr Schweigen zu wahren und ihr Wort zu halten. Abermals war ein junger Mann gestorben, zerstört durch ihre verhängnisvolle Nähe, und es gab noch einen dritten, den sie vielleicht nicht retten konnte, da man inzwischen der Wahrheit so nahe war.
Sie hatten das Stadttor erreicht und ritten durch den Torbogen. Auf der steil ansteigenden Wyle wurden die Maultiere noch langsamer, doch niemand versuchte, sie anzutreiben.
»Es gibt noch mehr zu berichten«, sagte Cadfael. »Ihr erinnert Euch sicher an den Morgen, als wir Bruder Eluric fanden. Ich nahm von der Stiefelspur im Boden einen Wachsabdruck. Bertred trug Stiefel, als wir ihn in die Abtei brachten und auszogen. Der linke Stiefel hat diesen Abdruck hinterlassen …«
»Nein!« klagte sie verzweifelt und ungläubig. »Das ist unmöglich! Es kann nur ein Irrtum sein.«
»Es ist kein Irrtum. Hier ist kein Fehler möglich. Abdruck und Stiefel stimmen überein.«
»Aber warum? Warum nur? Welchen Grund konnte Bertred haben, meinen Rosenstrauch umzuhacken? Welchen Grund, den jungen Bruder zu erstechen?« Leiser und gedankenverloren fuhr sie fort: »Davon hat er mir nichts gesagt!«
Cadfael schwieg, aber sie wußte, daß er es gehört hatte.
Nach einer Weile sagte sie: »Ihr sollt es wissen, Ihr sollt es erfahren. Wir müssen uns beeilen. Ich muß mit Hugh Beringar reden.« Energisch trieb sie ihr Maultier die Hauptstraße hinauf.
Aus Nischen und Eingängen von Geschäften wurden neugierige Köpfe gesteckt. Man erkannte sie, ein Nachbar stieß den anderen Nachbarn an, und bald, als sie ihrem Haus nahe waren, wurden ihr Grüße zugerufen, die sie jedoch kaum zur Kenntnis nahm. Bald würde die Neuigkeit die Runde machen, daß Judith Perle wieder daheim sei. Beritten und in respektabler Gesellschaft sei sie gekommen, nachdem man schon fast sicher gewesen war, ein Schurke habe sie durch Vergewaltigung zur Ehe zwingen wollen.
Schwester Magdalena blieb dicht hinter ihr und ließ keinen Zweifel daran, daß sie zusammengehörten. Sie hatte bisher kein Wort gesagt, doch sie hatte scharfe Ohren und einen behenden Geist. Wahrscheinlich hatte sie den größten Teil der Unterhaltung gehört und verstanden. Der Müller war, wahrscheinlich aus Höflichkeit, ein Stück zurückgefallen. Ihm war nur wichtig, was Schwester Magdalena für gut und richtig hielt, und dem durfte nichts und niemand entgegenstehen.
Neugierde kannte er kaum. Was er wissen mußte, um ihr nützlich zu sein, das sagte sie ihm. So lange war er schon ihr treuer Helfer, daß zwischen den beiden manches ohne ein Wort mitgeteilt und verstanden werden konnte.
Sie hatten inzwischen die Maerdol Straße erreicht und hielten vor dem Haus der Vestiers an. Cadfael half Judith aus dem Sattel, denn der Hofeingang war zwar breit genug, aber zu niedrig, um hindurchzureiten. Sie hatte kaum den Fuß auf den Boden gesetzt, da lugte schon ihr Nachbar, der Sattler, mit großen, erstaunten Augen aus der Türe und verschwand ebenso rasch wieder, um die Neuigkeit einem Kunden mitzuteilen. Cadfael nahm das Zaumzeug des weißen Maultiers und folgte Judith durch den düsteren Gang in den Hof. Aus dem Schuppen zur Rechten drang das rhythmische Klappern der Webstühle, und in der Halle waren gedämpfte Stimmen zu hören. Die Frauen saßen niedergeschlagen und bedrückt an ihren Spinnrädern, niemand sang in diesem Trauerhaus.
Branwen lief gerade über den Hof zur Haustür. Als sie das Knirschen der
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