Der Rosenmord
gerade für Bertreds Sarg Maß genommen.
Er ist vor zwei Nächten im Severn ertrunken. Ich wünschte, ich müßte dir nicht mit so schlimmen Neuigkeiten den Tag verderben.«
»Ich bin bereits im Bilde«, erwiderte Judith ruhig. »Bruder Cadfael wollte mich nicht unvorbereitet heimkehren lassen. Wie ich hörte, war es ein Unfall.« Die Knappheit ihrer Worte und die Leere in ihrer Stimme veranlaßten Cadfael, innezuhalten und sie von nahem zu betrachten. Sie war so beunruhigt wie er selbst. Es war ihr nicht möglich, irgend etwas, das in diesen Junitagen in Verbindung mit ihrer Person und ihren Angelegenheiten geschah, als bloßen Zufall abzutun.
»Ich gehe jetzt zu Hugh Beringar«, erklärte er auf der Schwelle und trat auf die Straße hinaus.
In ernstem Gespräch saßen sie, nachdem die Begrüßungen ausgetauscht waren, in etwas gezwungener Förmlichkeit in Judiths Kammer beisammen: Hugh, Schwester Magdalena, Judith und Cadfael. Miles hatte bleiben und die gerade zurückgewonnene Cousine nicht allein lassen wollen. Er hatte eine Hand beschützend auf Judiths Schulter gelegt, wie um sie zu verteidigen, und Hugh respektvoll angesehen. Er erwartete wohl, vom Sheriff fortgeschickt zu werden, doch Judith selbst wies ihn hinaus. Sie sah ihn liebevoll an und sagte sanft: »Nein, laß uns allein, Miles. Wir können später noch reden, und du sollst alles erfahren, was du wissen willst. Aber jetzt kann ich keine Ablenkung brauchen. Der Sheriff hat nicht viel Zeit, und nach der Mühe, die ich ihm gemacht habe, bin ich ihm meine ganze Aufmerksamkeit schuldig.«
Immer noch zögerte er stirnrunzelnd, doch dann nahm er ihre Hand. »Verschwinde nur nicht wieder!« sagte er, verließ leichtfüßig den Raum und schloß hinter sich die Tür.
»Das Erste und Dringendste, was ich Euch mitzuteilen habe«, begann Judith schließlich, indem sie Hugh anblickte, »sollen weder er noch meine Tante hören. Sie haben sich schon genug Sorgen um mich gemacht, und sie brauchen nicht zu erfahren, daß ich in Lebensgefahr war. Mylord, keine Meile von Godric’s Ford entfernt treiben sich Wegelagerer im Wald herum, die des Nachts Reisende überfallen. Nur ein Mann hat mich angegriffen, aber ich glaube, gewöhnlich jagen sie zu zweit. Er hatte ein Messer und wollte mich töten, aber zum Glück bekam ich nur einen Kratzer am Arm ab. Der nächste Reisende könnte weniger glücklich davonkommen.«
Hugh hörte mit unbewegtem Gesicht aufmerksam zu.
Draußen ging Miles pfeifend zur Werkstatt.
»Das war auf dem Weg zu Godric’s Ford?« erkundigte sich Hugh.
»Ja.«
»Wart Ihr etwa nachts allein im Wald? Ihr seid am frühen Morgen auf dem Weg zur Abtei aus Shrewsbury verschwunden.« Er wandte sich an Schwester Magdalena.
»Wißt Ihr davon?«
»Judith erzählte es mir«, antwortete Magdalena ruhig, »ansonsten weiß ich nichts. Nein, wir haben so nahe bei unserer Klause keine weiteren Spuren von Gesetzlosen gefunden. Ich hätte es gewiß erfahren, wenn einer der Waldbewohner davon gehört hätte. Aber wenn Ihr meint, ob ich die Geschichte glaube, dann sage ich jawohl, ich glaube sie.
Ich habe ihren Arm verbunden und auch den Mann versorgt, der ihr zur Hilfe kam und den Gesetzlosen vertrieb. Ich weiß, daß sie die Wahrheit sagt.«
»Dies ist der vierte Tag seit Eurem Verschwinden«, sagte Hugh, indem er sich mit täuschender Harmlosigkeit wieder an Judith wandte. »War es denn klug, so lange zu warten, ehe Ihr mich vor herrenlosen Männern warntet, die sich so nahe an der Stadt herumtrieben? Die womöglich sogar die Schwestern in Gefahr bringen konnten? Einer von Schwester Magdalenas Nachbarn im Wald hätte sicher gern die Nachricht überbracht.
Und auf diesem Wege hätten wir gleichzeitig erfahren, daß Ihr in Sicherheit wart und wir uns nicht mehr um Euch zu sorgen brauchten. Ich hätte meine Männer ausschicken können, um die Wälder von den Plagegeistern zu befreien.«
Judith zögerte einen Augenblick, aber eher um ihre Gedanken zu klären als um sich eine Täuschung zu überlegen.
Etwas von Schwester Magdalenas zuversichtlicher Gelassenheit war auf sie übergegangen. Sorgfältig ihre Worte wählend, sagte sie schließlich: »Mylord, meine Geschichte für die Welt ist, daß ich vor meinen Sorgen geflohen bin und bei Schwester Magdalena Zuflucht gesucht habe. Ich war die ganze Zeit bei ihr, und niemand sonst hat mit meinem Fortgehen oder meiner Rückkehr zu tun. Meine Geschichte für Euch aber, wenn Ihr dies respektieren wollt, könnte
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