Der rostende Ruhm
Wünsche erkauft?« keuchte er.
Brigitte Teschendorff schüttelte leicht den Kopf.
»Ich liebe Sie …«, sagte sie einfach.
»Ich schätze Ihren Gatten …«
»Warum sollen gerade wir beide die einzigen vernünftigen Menschen in einer aus den Fugen springenden Welt sein? Hören Sie nochmals genau zu: Ich liebe Sie! Was bedeutet mehr?«
»Sie übersehen die Folgen nicht!«
»Ich kümmere mich nicht um die Folgen.« Sie warf den Kopf wieder in den Nacken. Ihre Schönheit war gefährlich. »Folgen sind Zukunft. Ich aber bin ein Mensch, der die Gegenwart liebt. Ich bin schön, ich bin noch jung, ich habe einen gutgebauten Körper. Ich weiß das alles. Ich sehe es täglich im Spiegel und erfreue mich an mir selbst.« Sie sah Bergh aus heißen Augen an. »Bedeute ich Ihnen wirklich gar nichts als Frau?«
»Ersparen Sie mir bitte diese Antwort!« sagte Bergh leise.
Sie trat einen Schritt zurück, ging um ihn herum und streifte im Vorbeigehen seine Schulter mit ihrem Kopf.
»Ich komme morgen abend zu Ihnen …«, sagte sie.
An diesem Tag stand der erste, leicht gehässige Artikel über Professor Dr. Bergh in der Zeitung.
Er stammte aus der Schreibmaschine Gabriele Orths.
Die Vorgeschichte war kurz und entsprang einem Gallenanfall des Chefredakteurs. Er hatte Gabriele Orth zu sich rufen lassen und schluckte gerade einige Pillen mit einem großen Glas Wasser, als sie in das Büro kam.
»Sie haben doch diese Bergh-Sache als erste gebracht«, sagte der Chefredakteur. »Der Junge wird irgendwie madig«, fuhr er mit seinen Betrachtungen fort. »Er wird pressefeindlich! Können Sie das verstehen? Die Presse lobt ihn über den Himalaja hinaus, sie ›macht‹ ihn, sie hämmert den Lesern ein: Dieser Junge ist ein Genie! – Und da geht er hin und verkündet: ›Ich gebe keine Informationen mehr.‹ Das sagt er uns, der Presse! Das Genie mauert sich ein! Liebe Gabi – da werden wir den stolzen Menschenaufschneider einmal kitzeln!«
Gabriele Orth hatte sich gesetzt und fuhr sich jetzt mit beiden Händen durch ihre nußbraunen, kurzen Haare. »Was wollen Sie machen?« sagte sie schulterzuckend. »Schließlich ist es die Privatsache von Professor Bergh, wenn er die Presse nicht mag!«
»Privatsache! Und so etwas will Journalistin sein? Wir werden ihm ein Feuerchen unter das Gesäß halten! Und Sie, liebe Gabi, werden es tun! Sie schreiben den Artikel!«
Das war die Vorgeschichte. Die Auswirkung war wesentlich ernster. Unter dem Seitenthema: ›Neues aus Wien und Umgebung‹ stand ein Dreispalter mit der Überschrift: ›Der rasende (reisende) Hippokrates.‹ Und als Untertitel: ›Werden Kranke allein vom Ruhm gesund?‹
Gabriele Orth hatte diesen Artikel mit Widerwillen geschrieben. Sie hatte die vielen Reisen und Vorträge Berghs geschildert und erst am Ende die Frage aufgeworfen: Wenn ein Chirurg – wie ein bekannter Stardirigent – dauernd unterwegs ist, ist das für ein Krankenhaus nicht wie ein Körper ohne Kopf?
Der Chefredakteur strich dann den Artikel zusammen, bis nur noch einige Gehässigkeiten übrigblieben und setzte die Schlagzeilen selbst hinzu.
Die Wiener lasen es und vergaßen es schon beim Umblättern zur nächsten Seite. Die Wiener große Gesellschaft fand diesen Artikel entsetzlich geschmacklos und sinnlos. Vor allem die Damen entrüsteten sich, ließen Blumen zu Professor Bergh schicken und drängten ihre Männer, die Zeitung abzubestellen. Das Krankenhaus-Kuratorium las nichts Neues, Josef Teschendorff rief den Chefredakteur an und eröffnete ihm, daß er ab sofort alle Anzeigenaufträge seiner Fabriken und Firmen zurückziehe; Karel Barnowski schrieb einen Brief, in dem er mitteilte, daß er bei einem Todesfall des Chefredakteurs oder der Schmiererin G. Orth seinen Firmen verboten habe, die Leichname einzusargen.
Brigitte Teschendorff schnitt sich den Artikel aus und legte ihn zwischen die Löschblätter ihrer ledernen Schreibmappe. Sie lächelte dabei. Gabriele Orth, dachte sie mit leisem Triumph. Ein Mädchen mit spitzer Zunge. Für zehntausend Schillinge würde sie auch weitere solcher Artikel schreiben. Es waren ätzende Tropfen, die den besten Ruhm zerfressen würden. Denn Ruhm – hatte sie gesagt – ist Blech. Und Blech rostet …
Prof. Bergh las den Artikel Gabriele Orths am Abend nach der Begegnung mit Brigitte Teschendorff. Er las ihn zweimal und fand ihn wahr. Er würde sich der Öffentlichkeit gegenüber wehren müssen, sicherlich – das mußte er tun! Aber allein, unter
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