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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schnell ab und legte seinen Hut auf die Ablage der Garderobe.
    »Bitte, nicht! Berühmtheit ist das Relativste, was es gibt. Ich hatte – als Sie von Frau Teschendorff so abrupt und beleidigend verabschiedet wurden – noch nicht alles gesagt, was ich ihnen sagen wollte. Deshalb bin ich hier …«
    »Hätte das nicht Zeit bis morgen gehabt?«
    »Nein. Außerdem haben Sie vier Schlaftabletten genommen! Das ist ungesund.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Herr Sporenka.«
    »Da hat er wieder zwei dazugetan. Ich habe zwei Stück genommen. Ich wollte Ihren Keller vergessen. Und den Sterbenden im Badezimmer. Überhaupt alles …«
    »Gerade das sollten Sie nicht. Das ist die Krankheit unserer Krankenhäuser, daß die Öffentlichkeit vergißt, wie wenig für sie getan wird. Man kauft Atomraketen, Bombenflugzeuge und Panzer für einige Milliarden – aber das Gehalt eines dringend notwendigen Anästhesisten ist nicht vorhanden. Wir kämpfen um jedes Bett, unsere Schwestern sind so von Arbeit ausgelaugt, daß sie bei ihren Nachtwachen neben den Betten zusammenfallen. Eine einzige Grippe-Epidemie, eine Ruhrwelle, eine kurze Massenerkrankung nur – und unsere Krankenhäuser gleichen Massenlagern wie in den Bombennächten. Dann stehen auf den Fluren die Betten, im Keller, unter dem Dach, im Treppenhaus, und jeder, der wieder gehen kann, wird hinausgeworfen, weil die Kranken draußen Schlange stehen. So sieht es aus im Gesundheitswesen des zwanzigsten Jahrhunderts, von dem man sagt, daß es die Gipfelleistung des Menschen darstellt!«
    »Warum sind Sie plötzlich so verbittert, Herr Professor?« Gabriele Orth spürte, daß Berghs ungewöhnlicher Besuch nicht allein die Richtigstellung ihrer niederdrückenden Verabschiedung am Vormittag klären sollte, sondern daß größere Dinge es waren, die ihn innerlich beschäftigen.
    »Kommen Sie ins Zimmer«, sagte sie. »Ich ziehe mir rasch einen Morgenmantel über – obwohl Frauen in Nachtkleidern ja zu Ihren ständigen Eindrücken gehören.«
    Sie stieß die Tür zu einem kleinen Wohnzimmer auf und rannte in ihren pelzbesetzten Pantoffeln in ein anderes Zimmer. Beim Aufklappen der Tür sah Bergh im Schein einer Nachttischlampe ein aufgeschlagenes Bett. Er ging in das Wohnzimmer und setzte sich auf das alte, in den Federn knirschende Sofa, über dessen Rückenlehne nach Großmuttermanier eine gehäkelte Schondecke gelegt war.
    Als er am Fenster auf einem kleinen Tisch eine Reiseschreibmaschine bemerkte, stand er wieder auf und trat an sie heran. Ein Blatt Papier war eingespannt. Er las die Überschrift und kam sich wie ein Dieb vor.
    »Der Berühmte«, las er. »Eine Novelle von Gabriele Orth.«
    Er drehte an der Walze der Schreibmaschine und rückte die schon geschriebenen Zeilen höher, um sie besser lesen zu können.
    »Wenn er über den Gang des Krankenhauses geht, halten die Schwestern und die jungen Ärzte den Atem an. Sein Blick, seine Worte, seine Handbewegungen sind Befehle, die kein anderes Denken zulassen. Wie Verdurstende das kostbare Wasser, so nehmen die jungen Ärzte seine Ratschläge und Diagnosen auf. Sie sind unwiderlegbar und genial. Sie sind vollkommen wie sein Ruhm.
    Was aber ist er als Mensch …?«
    Professor Bergh schreckte zusammen und richtete sich auf. Hinter ihm hatte die Tür gequietscht.
    »Was Sie da lesen, ist Dummheit«, sagte Gabriele Orth. Sie war nicht beleidigt, daß er heimlich den Anfang ihrer Novelle gelesen hatte. Sie lächelte sogar. »Ich habe das geschrieben, bevor ich zu Ihnen in die Klinik kam. Ich habe mir einen berühmten Chef so vorgestellt. Heute abend war ich nur zu müde, sonst hätte ich das Blatt längst zerrissen und verbrannt.«
    »Das sollten Sie nicht tun.« Bergh drehte das Blatt aus der Schreibmaschine und kam mit ihm auf Gabriele zu. Sie trug jetzt einen großgeblümten Morgenrock, hatte ihre zerzausten Haare gekämmt und mit einem hellblauen Stirnband zusammengehalten. »Sie haben mich treffend geschildert, Fräulein Orth.«
    »Sie sind gar nicht so.« Gabriele schüttelte den Kopf. »Man sieht Sie nur so. Aber die wenigsten Menschen sind so, wie man sie sieht. Wir spielen alle ein großes Theater.«
    Professor Bergh setzte sich wieder auf das knisternde Sofa. Er sah zu, wie Gabriele aus der neben dem Wohnzimmer liegenden winzigen Küche zwei Flaschen Bier holte, die Gläser mit einem Geschirrtuch ausputzte und dann eine Flasche entkorkte.
    »Ich trinke schrecklich gern Bier«, sagte sie dabei mit der Unbefangenheit, die

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