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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Werth.
    »Eigentlich ist er phantastisch«, sagte er.
    Dr. Werth nickte. »Das ist er …«
    Was er gesagt hat, waren Worte, wohlklingend, tönend, mitreißend – aber eben nur Worte, dachte er, während er die Achseldrüsen ausräumte. Der Glockenklang des Genies – an den Glauben appellierend und deshalb unverbindlich. Ein unreales Sphärenklingen. Real aber war der Brustkrebs dieser vierunddreißig Jahre alten Frau, die nach sechs Wochen mit nur einer Brust entlassen werden würde, voll Hoffnung, daß sie ihre drei Kinder weiter heranwachsen sehen könnte und das Leben wieder lieben durfte und die nach zwei oder drei Jahren erneut in die Klinik mußte, um dort qualvoll zu sterben.
    Zu spät erkannt …
    Drei Worte, vor denen auch ein Genie kapitulierte und an denen die Grenzen des Menschen sichtbar wurden.
    Nach dem Vormittag mit Wortischek und der Mamma-Operation hatte in den frühen Abendstunden dreimal Brigitte Teschendorff angerufen. Zweimal ließ Bergh sich durch seine Sekretärin verleugnen – beim dritten Anruf war es nicht mehr möglich, weil Bergh allein im Cheftrakt des Krankenhauses war und den Hörer aufnahm in der Annahme, es sei Gabriele Orth, die er vorher in der Redaktion zu erreichen versucht hatte.
    »Ich komme heute zu dir«, sagte Brigitte ohne Einleitung. »Schick deinen Hausdrachen Erna aufs Land! Um einundzwanzig Uhr bin ich draußen. Freust du dich?«
    »Nein«, sagte Bergh. Er hörte einen unterdrückten Laut und freute sich, daß er Brigitte getroffen hatte.
    »Nicht?« fragte sie gedehnt.
    »Ich muß zu einem Kongreß nach Köln. Am Samstag fahre ich ab. Frühmorgens«, log er. Er wunderte sich, wie gewandt er diese Lüge aussprach, wie überzeugend und reuelos.
    »Heute ist aber erst Freitag, Liebling …«
    »Ich werde heute nacht sehr arbeiten müssen. Ich muß meinen Vortrag noch einmal überarbeiten, ich muß die Dias aussuchen, die Präparate zusammenstellen. Ich muß mich für das Fernsehinterview vorbereiten und für einen Presseempfang.«
    »Ich werde dir dabei helfen, Martin.«
    »Das ist doch völlig unwahrscheinlich, Brigitte. Wenn du kommst, willst du mich …«
    »Ich habe Sehnsucht …«
    »Aber ich habe keine Zeit, mich mit Liebe aufzuhalten. Ich habe einen Beruf, einen Namen …«
    »… und einen Ruhm, dem du alles opferst. Auch mich!«
    »Wir werden uns nächste Woche sehen.«
    »Dann ist Josef wieder zurück. Jetzt hätten wir fünf Tage für uns allein. Fünf Tage und fünf lange Nächte … Wann kommt das jemals wieder?«
    Hoffentlich nie, dachte Bergh. Er dachte an sein geplantes Gespräch mit Teschendorff und an seinen Rücktritt als Chefarzt. Da wurde er kalt und knapp, fast beleidigend.
    »Es geht nicht!« sagte er laut. »Bitte, frag nicht und quäl mich nicht! Deine Liebe benötigt Zeit und bedeutet Anstrengung – das erste habe ich nicht, und das letztere erwartet mich schon in Köln. Also bitte – habe Verständnis.«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte er den Hörer wieder auf. Einen Augenblick hatte er Angst, daß Brigitte trotzdem kommen würde. Um allem vorzubeugen, blieb er bis zehn Uhr abends in der Klinik und rief dann zu Hause an. Erna war wütend, weil das warme Abendessen sinnlos geworden war. Besuch war nicht gekommen. »Der hätte mir auch noch gefehlt!« sagte Erna giftig. »Kommen Sie denn jetzt? Dann backe ich noch einen Speckpfannenkuchen.«
    Am Samstag war er nicht in Wien. Er fuhr nach Linz und besichtigte eine neue Anästhesieanlage, die sich das Linzer Krankenhaus neu angeschafft hatte. Er kam erst spät am Abend zurück und fand das vor, was er erwartet hatte: sechs Anrufe Brigitte Teschendorffs. Drei in der Klinik und drei privat. Dann erst schien sie geglaubt zu haben, daß er wirklich in Köln sei.
    Und nun war der Sonntagmorgen mit strahlender Sonne über ihm. Gabriele Orth kam ihm in einem hellblauen, weiten Kleid, die kurzen, nußbraunen Haare mit einem weißen Stirnband verziert, entgegengelaufen. Da war es ihm, als laufe ihm die Jugend zu, als bräche in ihm eine dicke Schale auseinander, die sein Herz wie mit einem Panzer umgeben hatte – er riß die Tür des Wagens auf, streckte beide Arme aus und zog Gabriele neben sich auf den Sitz.
    »Wohin?« fragte Bergh, als Gabriele neben ihm saß. Ihr Haar roch nach Birkenwasser. Sie war so jung und so frisch, daß Bergh plötzlich zur Seite und auf seine Hände sah und unsicher wurde. Wie alt bin ich gegen sie, dachte er. Wie verbraucht! Weiße Haare, müde Augen, die Haut auf

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