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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sofort nach der Rückkehr Josef Teschendorff anzurufen und sofort seinen Posten als Chefarzt niederzulegen. Dann wollte er nach Deutschland gehen oder in die Schweiz. Die Welt stand ihm ja offen …
    Die Startschnur schnellte hoch, die Pferde jagten mit gesenktem Kopf über die Bahn. ›Glücksritter‹ war gut abgekommen, er lag an vierter Stelle. Die seidene, gelbe Bluse seines Jockeis glänzte in der Sonne.
    »Er ist vorn!« jubelte Gabriele und kniff Bergh in den Arm. »Sehen Sie, Martin! Er ist an vierter Stelle! Er wird siegen – er klebt an den anderen und läßt diese sich auspumpen. Er läuft klug – er macht die anderen erst matt und spart selbst die Kräfte …«
    Ich werde keine Kräfte mehr haben, wenn das alles durchgestanden ist, dachte Bergh. Sie werden mich als Wrack abschieben, sie werden mitleidlos über mich herfallen wie Schakale über ein Aas.
    »›Glücksritter‹ liegt an zweiter Stelle!« schrie Gabriele. »Er schafft es! Er schafft es!«
    ›Glücksritter‹ gewann das Rennen knapp mit einer Kopflänge. Am Totalisator bekam Gabriele Orth fünfundzwanzigtausend Schillinge ausgezahlt. Sie stopfte das Geld in ihre Handtasche und war ganz rot im Gesicht vor Aufregung und Freude.
    »Soviel Geld habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen«, sagte sie glücklich. »Wenn der widerliche Sporenka mich jetzt wieder anbrüllt, werfe ich ihm alles vor die Füße und mache mich selbständig.«
    »Es ist ein schweres Leben, Gabi.«
    »Es ist noch schwerer, ungerecht behandelt zu werden.«
    Den Abend verbrachten sie im Rennplatz-Restaurant. Sie tranken Wein und Sekt, tanzten und waren fröhlich. Für ein paar wenige Stunden verschwand selbst der Schatten Brigitte Teschendorffs aus der Nähe Berghs. Er dachte einfach nicht an sie – er sah nur Gabriele Orth, wie sie in seinen Armen tanzte, wie glücklich sie war und wie sie die Handtasche mit den fünfundzwanzigtausend Schillingen immer mit sich trug, selbst beim Tanzen.
    Um Mitternacht brachte er sie nach Hause. Vielleicht erwartete sie, daß er mit hinaufkam in ihre kleine Wohnung. Aber er stieg nur aus, um ihr aus dem Wagen zu helfen, küßte ihr die Hand und hielt die Tür auf, während sie im Treppenhaus das Licht anknipste.
    Sie drückte ihm noch einmal die Hand. Dann riß sie sich los und sprang die Treppe hinauf, als flüchte sie vor einer Antwort Berghs.
    »Ich rufe Sie spätestens Mittwoch an!« Bergh war in den Treppenflur getreten und sah den Treppenschacht hinauf. Er sah den Kopf Gabriele Orths auftauchen und zu ihm herunterblicken. »Ich muß Ihnen noch vieles sagen!« rief er hinauf.
    Das Minutenlicht verlosch mit einem Knacken. Dunkelheit umgab ihn, aber er blieb stehen und starrte in die Schwärze über sich.
    »Sind Sie noch da, Gabi?« fragte er laut.
    »Ja …«
    »Drücken Sie das Licht nicht wieder an!«
    »Nein …«
    »Ich habe Sie lieb, Gabriele!«
    »Ich Sie auch, Martin!«
    Durch die Dunkelheit tastend, verließ er das Haus und schloß hinter sich leise die Tür, als könne jeder Laut den Zauber zerreißen, der ihn umgab.
    Brigitte Teschendorff saß auf der Couch, als er sein Wohnzimmer betrat.
    Erna hatte ihn bereits an der Haustür abgefangen und mit einer ruckartigen Kopfbewegung gesagt: »Sie ist drin! Seit vier Stunden! Sie trinkt schon den sechsten Whisky! Ohne Wasser!«
    Brigitte sah ihn mit gesenktem Kopf an, als er eintrat. In der Hand hielt sie ein halbleeres Whiskyglas, und diese Hand zitterte, als jage ein Schüttelfrost durch ihren Körper.
    »Du riechst nicht nach Kölnisch Wasser, sondern nach billigem Wiener Parfüm!« sagte sie heiser vor aufgestauter Erregung. Professor Bergh setzte sich hinter den Tisch. Er schuf damit einen weiten Abstand.
    »Du bist also gekommen, um eine Szene zu machen?«
    »Du hast mich belogen!«
    »Ja. Ich war nicht in Köln. Ich war heute in Wien und mit Fräulein Orth zusammen.«
    Brigitte Teschendorff stellte das Glas auf den Tisch. Es klirrte laut, aber es zerbrach nicht. Über ihr schmales Gesicht zog ein wildes Zucken.
    »Ist sie eine bessere Geliebte als ich?« Sie warf sich zurück und krallte wütend beide Hände in die Kissen. »Natürlich ist sie eine bessere Geliebte! Sie ist jünger, sie ist hübscher, vielleicht ist sie sogar klüger – das kleine Aas! Sie läßt sich erobern – so etwas gefällt den Männern. Sie fühlen sich dann stark und Unwiderstehlich und schwelgen in der Siegerpose!«
    Bergh schüttelte den Kopf. Der Anblick Brigittes stieß ihn plötzlich ab.

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