Der rostende Ruhm
Früher hatte ihre Wildheit ihn fasziniert – jetzt sah er sie mit den kritischen Augen eines gewonnenen Abstandes und fand sie abstoßend.
»Sie ist weder meine Geliebte, noch wird sie es werden. Das ist etwas, was du nicht verstehen wirst. Aber verstehen wirst du, wenn ich dir sage, daß ich sofort nach der Rückkehr deines Mannes mit ihm sprechen werde.«
»Wie heldenhaft! Und was willst du ihm sagen?«
»Ich werde ihm alles erklären. Und ich werde meine Stellung als Chefarzt aufgeben!«
»So? Das willst du?« Sie sprang auf. Mit beiden Händen ergriff sie das schwere Whiskyglas, hob es hoch über ihren Kopf und schmetterte es dann auf den Boden. Mit einem dumpfen Knall zerbarst es, und die Splitter spritzten durch die Wucht des Aufpralls weit ins Zimmer.
»So wie dieses Glas werde ich dich zerbrechen!« schrie sie grell. »In zwei Tagen frißt kein Hund mehr aus deiner Hand! Der berühmte Professor Bergh – wer ist das denn? Ein Scharlatan! Ein Blender! Ein Wortheld – weiter nichts! Wenn er am Operationstisch steht, schwitzt er vor Angst, und wenn es große Dinge zu operieren gibt, verreist der große Herr und hält Vorträge! Aber den Ruhm, den sammelt er ein! Glaubst du, ich wüßte nicht, was sich im Krankenhaus abspielt?«
»Du bist ja so gemein!« sagte Bergh leise.
»Ich lasse mich von dir nicht in eine Ecke stellen wie eine abgeblühte Blume! Und ich weiche nicht vor dieser Gabriele Orth und ihrer Jugend! Ich habe dich in der Hand, um dich zur Liebe zu zwingen!«
»In einer Woche habe ich Wien verlassen!«
»Aber als was?« Brigitte Teschendorff kam auf Bergh zu. Er sah das gefährliche Leuchten in ihren Augen und die Sucht, maßlos zu sein. Ihr Atem wehte heiß über sein Gesicht.
»Vor der ganzen Welt kann ich dich unmöglich machen, du Genie!« sagte sie leise. »Dort hinten, in dem Anbau, hältst du dir Affen und Meerschweinchen, um an ihnen die Operationen zu üben, die du nachher vor der Öffentlichkeit zeigst. Jede Operation in der Klinik hast du vorher dort geübt …«
»Du warst im Laboratorium?« Bergh sprang auf und stieß Brigitte zur Seite.
»Ich habe die Wartezeit genutzt. Dein Ruhm ist keinen Schilling wert, wenn ich die Wahrheit hinausschreie!«
»Man müßte dich töten dürfen«, sagte er heiser. Er riß Brigitte Teschendorff an sich heran und grub die Nägel seiner Finger in ihren Rücken.
»Was willst du tun?« stöhnte sie auf. »Willst du mich töten?«
»Nein! Ich verrate mich selbst!« schrie Bergh. »Ich gebe mich auf …!«
Brigitte Teschendorff verließ erst am frühen Morgen das Haus.
Der Fabrikant Josef Teschendorff war früher zurückgekommen, als es geplant war, und Bergh hatte durch Oberarzt Dr. Werth erfahren, daß Teschendorff angerufen hatte. Er war daraufhin sofort hinaus nach Schloß Hainaue gefahren. Er hatte alles wohlüberlegt: die Gründe seines Ausscheidens, die Rechtfertigung seiner Verbindung zu Brigitte, die Konsequenzen, die er bereit war, zu ziehen – soweit sie im Rahmen des Möglichen lagen. Er hatte bereits mit einigen Universitätskliniken in Deutschland und der Schweiz gesprochen. Man war bereit, ihn aufzunehmen.
Eine große saftiggrüne Rasenfläche, poliert wie ein Tisch, breitete sich unter den hohen, breitkronigen Bäumen von Schloß Hainaue aus. Auf dieser Wiese sah Bergh Josef Teschendorff Golf spielen – mit Schwung schlug er die Bälle von Markierung zu Markierung, von Loch zu Loch. Ein Junge mit einem ledernen Köcher voller Golfschläger folgte ihm wie ein Hund, immer drei Schritte hinter ihm.
»Das ist schön, daß Sie gerade jetzt kommen!« rief Josef Teschendorff. Er gab dem Jungen seinen Golfschläger und zog seine hellgelben Wildlederhandschuhe aus. Mit ausgestrecktem Arm kam er Professor Bergh entgegen. »Ich weiß nicht, ob die hohe Kunst der Chirurgie die Beschäftigung mit der hohen Kunst des Golfes zuläßt – aber wenn Sie Golf können, lade ich Sie zu einer Partie ein!«
»Ich habe in meiner Jugend Golf gespielt. Nachher waren mir Anatomie und Pathologie wichtiger.« Bergh drückte kraftlos Teschendorffs Hand. Der Fabrikant winkte ab.
»Wer einmal auf einem Pferd gesessen hat, vergißt nicht den Schenkeldruck. Und wer einmal einen Bauch aufschnitt, kann das auch in zwanzig Jahren noch. Habe ich recht, Herr Professor?« Er winkte den Golfjungen herbei und zeigte auf den Köcher. »Suchen Sie sich einen Schläger aus – und dann werde ich Sie über die Löcher jagen. Ich bin heute in einer blendenden
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