Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Schlimmeres geben! Zu helfen war nicht, und in den nächsten Minuten wären wir mit erstickt. So war die Lebensangst der Kreatur stärker und wir stürzten wie irrsinnig dem Rettungsweg nach. Auf den Trümmern einer Leiter, an der die ersten drei Sprossen fehlten, kletterte ich hinter Ingelore hinaus und zog Hildegard hinter mir her.
Draußen war es, als ob man in einen feurigen Ofen käme. So weit man sehen konnte ein brüllender Feuerorkan! Alle die fünfstöckigen Häuser ringsum brannten von unten bis oben und leuchteten wie geschmolzenes Eisen. Die Flammen schlugen stockwerkhoch aus allen Fenstern. Ein Blick nach unserem Hause. Ich traute meinen Augen kaum: es war im ganzeneingestürzt. Nur die Ecke stand noch. Wo unser Heim gewesen war, sah ich die feuerflammende leere Luft! Ein fünfstöckiges schweres Sandsteingebäude war auf uns gestürzt, während wir im Keller lagen. »Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sendet noch der Mensch zurück.«
Auf der Straße lagen umgestürzte Bäume, Steine, Gaslaternen, ausgebrannte Wagen, heruntergerissene Straßenbahndrähte und Tote. Es war kaum durchzukommen. Dazu heulte der Feuersturm und die Funken und Feuerfetzen flogen um uns wie in einem schweren Schneesturm. Man wankte und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Hildegard war so aufgeregt, daß sie sich vor den herunterhängenden Straßenbahnleitungen fürchtete, obwohl doch längst kein Strom mehr drin sein konnte. Ich riß sie an mich und versuchte mich zu orientieren. Die Stephanienstraße hinunter nach der Elbe zu sah es mir dunkler aus. Also dorthin, denn dort mußte Luft sein. Als wir bis zur Striesener Straße vorgedrungen waren, mußten wir erkennen, daß es eine Täuschung war, denn das Dunkle war nur Qualm gewesen und die Fassaden der Stephanienstraße lagen schon als unübersteigbarer Schutt auf der Straße. Wohin nun? Wir versuchten nach dem Striesner Platz zu kommen. Nach 100 Metern sahen wir, daß dort eine Feuerwand stand, weil ein Flammenmeer von Phosphor brannte. Wieder zurück, rasend, hoffnungslos und halb erstickt.
Ingelore verschwand in einem Feuerregen. Gerade noch im letzten Augenblick konnte ich ihre Hände erwischen und hielt nun beide an den Händen. Wer stürzte, kam nicht wieder hoch. Auch Hildegard kam
zu Fall. Ich konnte sie mit letzter Kraft wieder hochreißen und wir kämpften uns erstickend zum Stephanienplatz zurück. Nur unseren Stahlhelmen und schweren Stiefeln war es zu danken, daß wir weiterkamen. Der ganze Platz loderte in Flammen. Hinter dem Transformatorenhäuschen bargen sich Menschen und Hildegard wollte in ihrer Todesangst auch dorthin. Ich sah aber, daß das Ende dort abzusehen war. Wir mußten durch. Wie es gelungen ist, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls waren wir auf einmal hinter der Flammenwand und in der Hähnelstraße, wo wegen der offenen Bauweise erst auf der rechten Seite die Dachstühle brannten. So schnell wie möglich die 300 Meter bis zum Großen Garten! Über die Stübelallee drangen wir vor bis zur kleinen Eichwiese und brachen dort erst mal zusammen.
über Dresden Ein RAF-Bomberpilot
Nach meiner Schätzung umfaßte das Feuermeer eine Fläche von etwa hundert Quadratkilometern. Die von dem Feuerofen heraufsteigende Hitze war bis in meine Kanzel zu spüren. Der Himmel hatte sich leuchtend rot und weiß gefärbt, und das Licht in der Maschine glich dem eines gespenstisch anmutenden Sonnenuntergangs im Herbst. Obwohl wir uns allein über der Stadt befanden, war unser Entsetzen über den furchtbaren Feuerschein so groß, daß wir viele Minuten lang über der Stadt kreisten, bevor wir, ganz unter dem Eindruck des dort unten gewiß herrschenden Grauens, auf Heimatkurs gingen. Wir konnten den Schein des Feuerorkans noch dreißig Minuten nach Antritt des Heimfluges sehen.
Dresden Der Generalinspekteur der Feuerschutzpolizei Hans Rumpf
Die Erscheinungsformen eines solchen Naturereignisses können die normalen Eigenschaften der Atmosphäre bis zu einem Grade verändern, daß in ihr organisches Leben nicht mehr möglich ist und erlischt... Die einzelnen Feuerherde schließen sich zusammen, die erhitzte Atmosphäre schießt wie in einem Riesenkamin nach oben, die längs des Erdbodens angesaugte und nachstürzende Frischluft erzeugt einen Orkan, der wiederum auf weithin die kleineren Brände anfacht und in seinen Bann zieht. Die Wirkung der heißen Luftsäule einer solchen riesigen Fackel über einer brennenden Stadt wurde von den Fliegern bis in 4000 m
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