Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
den wir telefonisch von unserem Schicksal benachrichtigt hatten. Die Wartezeit verbrachten wir in einem nüchternen Gasthaus, bis wir schließlich im Auto unserer vorläufigen Bleibe entgegenfuhren. Was würde die Zukunft bringen – die Russen standen unmittelbar vor Sachsens Grenze –; was würde aus uns werden. Wir wußten es nicht.
Dresden Der General Erich Hampe
Ich konnte nicht sofort bis zum Hauptbahnhof gelangen, weil der Weg in die Stadt völlig blockiert war. Daserste Lebewesen, das ich beim Eintreffen in der Stadt sah, war ein großes Lama. Es war anscheinend aus dem Zoo ausgebrochen. In der Innenstadt war alles zerstört, aber mein Interesse galt nur dem Hauptbahnhof und den Gleisanlagen. Keiner der führenden Eisenbahnbeamten war zur Stelle. Ich mußte einen leitenden Reichsbahnbeamten aus Berlin kommen lassen, um das Durcheinander zu entwirren und um notwendige Maßnahmen zu besprechen, wie der Verkehr wieder in Gang gebracht werden könnte.
Dresden Der SS-Gruppenführer von Alvensleben
An Heinrich Himmler
Vorläufiger Bericht: Schwerer Terrorangriff auf Dresden. Bombenabwurf auf Dresden von 22.09 bis 22.35 Uhr. Im gesamten Stadtgebiet schwere Sprengbomben und große Feuer, besonders im Bereich der Innenstadt. Getroffen: Opernhaus, katholische Hofkirche, Japanisches Palais, Hygienemuseum, Reichsbahndirektion, verschiedene Krankenhäuser, Ausstellungspalast, Taschenberg-Palais... Mindestens 3000 Sprengbomben und 25 000 Brandbomben angenommen. Hilfskräfte von außerhalb angefordert. Kasernengelände Albertstadt: Schützenkaserne, Adolf-Hitler-Kaserne, Heeres-Versorgungsamt, Vorratslager, Munitionslager. Verbindungen nach außerhalb auch unterbrochen. Ein sogar noch heftigerer Angriff von 01.24 bis 01.48 Uhr, hauptsächlich Sprengbomben, einige schwersten Kalibers. In der rasenden Feuersbrunst, die entstand, muß die fast vollständige Zerstörung der Stadt erwartet werden. Reichs-Unterstützung in größtem Umfang sofort und dringend erbeten.
Berlin Heinrich Himmler 1900–1945
An den Befehlshaber der Ordnungspolizei Dresden, SS-Gruppenführer von Alvensleben
Ich habe Ihren Bericht erhalten. Die Angriffe waren offensichtlich sehr schwer, doch jeder erste Luftangriff vermittelt immer den Eindruck, daß die Stadt vollständig zerstört worden ist. Ergreifen Sie sofort alle notwendigen Maßnahmen. Ich sende Ihnen sofort einen besonders fähigen SS-Führer für Ihre Dienststelle, der Ihnen in der gegenwärtigen schwierigen Lage nützlich sein könnte. Alles Gute.
Schloß Moritzburg Ernst Heinrich Prinz von Sachsen 1 896–1971
Als der Morgen graute, erschien mir das Flammenmeer noch größer als in der Nacht, und riesige Rauchschwaden lagen über dem ganzen Stadtgebiet.
Ich entschloß mich, nach Moritzburg zurückzufahren. Ich fuhr nach Pirna, überquerte dort die Elbe, machte auf der rechten Elbeseite einen großen Bogen und erreichte Moritzburg. Dort war alles in Ordnung, es waren keine Bomben gefallen. Aber Ausgebombte trafen in sehr großer Zahl ein, ein armseliger Zug abgehetzter und total übermüdeter Menschen. Ich tat, was ich konnte, um möglichst viele im Schloß unterzubringen; die letzte Liegestatt und Matratze wurde ausgenutzt. Das größte Problem war die Ernährung der 60 Personen, die ich aufgenommen hatte. Wir kochten Kartoffelsuppe mit Fleisch von Wild, das wir im Wildpark abschossen. Brot war äußerst knapp, und am kargsten war die Fettration. Da Dresden mit allen Verbindungen, auf die auch die ganze Umgebung
angewiesen war, ausfiel, war die allgemeine Versorgungslage mehr als ernst. Die Partei, die immer so große Töne geschwungen hatte, war bei dieser Katastrophe wie vom Erdboden verschwunden, keiner getraute sich, in Parteiuniform zu erscheinen. Man sah nur Wehrmacht, Waffen-SS und Polizei.
Aber eins war sehr erfreulich und wohltuend: Jeder tat sein Bestes, um seinen hilflosen Mitmenschen zu helfen. Und das war eher eine christliche als eine nationalsozialistische Volksgemeinschaft.
Dresden Giesela Neuhaus *1924
Fröstelnd erwachte ich im Morgengrauen. Eiskalt kam die Luft durch die zerbrochenen Fensterscheiben. Jürgen schlief noch fest. Mit steifen Gliedern erhob ich mich vom Fußboden. In unsere Decken gehüllt, waren wir eingeschlafen. Ein eigenartiges Geräusch kam von der Straße, wie von schlurfenden Füßen. Meine Eltern waren nirgends zu sehen. Was ich jetzt auf der Caspar-David-Friedrich-Straße sah, ist kaum zu beschreiben.
Ein endloser
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