Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Gärtnerei hingen Hunderte abgeworfener englischer Flugblätter, und es mutete uns als eine bittere Ironie an, in einem davon, das mit dem 13. Februar datiert war, zu lesen: »Die Bevölkerung ist klug und bleibt lieber im unausgebombten Dresden, während die prominenten Nazibonzen flüchten.«
Dresden hatte in Wirklichkeit in diesen Tagen das Doppelte seiner eigenen Einwohnerzahl an Flüchtlingen aus Schlesien und Ostpreußen aufgenommen, und die Todeszahlen jener Evakuierten waren ebenso erschreckend hoch.
Zu unserer Überraschung fanden wir den Heiligen-Born-Grund wie auch dessen Seitengründe vollerStabbrandbomben, die zumeist graue oder schwarzeAschehäufchen hinterlassen hatten. Auch Blindgänger lagen massenweise umher.
Dresden Eine Frau *1919
Nach dem Angriff (auf Dresden) wankten wir aus der Stadt raus und sahen die Toten, die am Wege lagen, halbverkohlt, andere noch unversehrt: die waren erstickt.
Dresden Katharina Tietze
Herr Schulze aus dem 1. Stock versuchte immer mal wieder, ob noch kein Entrinnen wäre und brachte uns Nachricht, endlich die, daß nun bei größter Vorsicht die Möglichkeit bestünde, über die richtige Kellertreppe, die also noch stand, auf die Straße zu gelangen. So stiegen wir ganz langsam und vorsichtig über allerlei Trümmer, einige noch brennende Stellen umgehend, bis zur Höhle der einstigen Haustür und gelangten durch diese auf die Straße. Das war am Vormittag des 14. Februar 1/2 11 h. 13 Stunden waren wir also im Keller gewesen. Nun sahen wir uns draußen um und erblickten nichts als Trümmer und die ausgebrannten Ruinen der einstigen Wohnhäuser. Da ist wohl etwas in einem erstarrt. Ich sah eine weinende Frau stehen, hätte selber aber nicht mal weinen können. Wir stiegen also, inmitten der Fahrstraße gehend, mühsam über die Trümmer und begaben uns nach dem ganz nahen Dürerplatz, in dessen Mitte nur vereinzelt Ziegelsteine, Bretter, einiger wohl geretteter Hausrat und dergleichen herumlagen, aber auch tote, meist halbverbrannte Menschen und sehr viele Stabbomben. Und Ausgebombte wie wir irrten natürlichviele herum, teils mit allerhand Gepäck. So wanderten wir doch wenigstens wieder in freier Luft herum. Kamen wieder Flugzeuge, so legten wir uns lang auf die Erde. Allmählich meldete sich auch der Magen wieder. Da ich die Einholtasche mit Brot, Butter und Wurst bei mir hatte, aßen wir ein paar Schnitten, gaben auch Schulzes davon, die nichts zu essen bei sich hatten. Etwas später verabschiedeten sie sich von uns und wollten versuchen, zu Verwandten nach Gruna zu gelangen.
Wir drei versuchten nach allen Richtungen, etwas gangbares Gelände zu finden, aber bei Vaters unsicheren Füßen war es unmöglich, mit ihm weiterzukommen. So blieb für uns zunächst nur der Dürerplatz , wo wir in einem ganz kleinen Büdchen, an einem Stromhaus angebaut, auch mit zehn fremden Menschen nächtigten. Vater fand grad noch ein Plätzchen auf einem Brett, was über Steine und Koffer gelegt war, also eine Art Bank bildete. Tante Dore und ich saßen auf einem fremden Koffer, leider direkt an der Türöffnung. Die Türe war nicht mehr vorhanden, nur eine Decke hing da. Schön war diese Nacht bestimmt auch nicht, aber man war froh, frei atmen zu können und sich nicht eingeschlossen zu fühlen. Ab und zu kamen auch noch Flugzeuge. Man hörte Bomben fallen und Hausteile einstürzen. Doch auch diese Nacht ging vorüber.
Dresden Der Unteroffizier Gerhard Gretzschel 1909–1984
In Bad Schandau erreichte uns gerüchteweise die Nachricht vom Bombenangriff auf Dresden. Es gab wegen Fliegeralarm viele Stockungen. In Heidenau war dieFahrt zu Ende. Ich gab meinen Koffer in der Gepäckannahme auf und lief zu Fuß nach Dresden. Die Sorge um das Schicksal meiner Lieben in Dresden beflügelte meinen Fuß.
Bald kamen mir rußgeschwärzte Menschen entgegen, die mit wenigen Habseligkeiten, die sie gerettet hatten, aus dem brennenden Dresden geflohen waren. Ich strebte der Johannstadt zu, um auf der Wintergartenstraße 67 nach meinen Eltern zu sehen. Endlich hatte ich die brennende und ausgebombte Trinitatiskirche erreicht, unsere Traukirche. Und als ich an das ehemalige Carolahaus – ein Krankenhaus, aber zuletzt SA- Kaserne – kam, stand ich plötzlich vor meinen Eltern, die mit Brandwunden bedeckt, mit einer Aktentasche und sonst mit nichts ohne Initiative am Straßenrand standen. Ich erschien ihnen buchstäblich wie ein rettender Engel; denn sie hatten keine Ahnung, daß ich
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