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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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sein, als der dritte Angriff auf Dresden begann.
    Ich entsinne mich an einen rechts von der Landstraße gelegenen Stollen, der überfüllt war von Menschen, die schon dorthinein geflüchtet waren, als man das dumpfe Dröhnen der herannahenden Bomberpulks hörte. Der Angriff endete nach knapp zehn Minuten. Ich taumelte zu dem Schacht und lehnte mich an den Rücken eines Mannes, der gerade noch unter dem Schacht stand, ich war draußen, aber ich verlor das Bewußtsein, ich hörte nichts mehr von dem Angriff.
     
    Dresden Otto Griebel 1895–1972
    Alsbald gesellte sich ein lieber alter Bekannter mit seiner Frau und seinen Buben zu uns, die uns mitteilten, daß schon wieder Fliegeralarm gegeben worden sei. Die Sirenen funktionierten nicht mehr, so daß also jede Warnung fehlte.
    Wir liefen rascher, wie gejagt, und verloren die Hinzugekommenen wieder. In der Höhe des Dorfes Rippien hörte man deutlich das Motorengeräusch sehr hoch fliegender Kampfgeschwader.
    Nun setzte auch jenes seltsame Rauschen ein, das wie das Fallen von Bäumen klingt. Frau Grete Fraaß, unsere Buben und ich duckten uns hinter eine Kartoffelmiete. Da krachten auch schon die ersten Serien von Einschlägen, und wir zogen es vor, einem nahen Gute zuzustreben.
    In unserer Eile fanden wir aber keinen Durchgang, bis uns endlich der Bauer winkte und uns den Weg zumHof zeigte, wo wir in einen gewölbten Kartoffelkeller krochen.
    Immer neue Wellen von Flugzeugen flogen heran. Einige Male erfolgten die Detonationen der abgeworfenen Bomben bedenklich nahe, doch wir überlebten. Dann suchten wir die ›Auffangstelle‹ im Ort auf, wo ich meine Augen von einem Sanitäter behandeln lassen mußte. Danach erhielten wir warmen, schwarzen Kaffee und einige Brotschnitten, die mit Wurst belegt waren. Grete Fraaß machte uns nun den Vorschlag, mit zu ihrer Schwester zu gehen, die in Neu-Bannewitz wohnte. Und da ich ohnehin nicht recht wußte, wohin, nahm ich das Anerbieten gern an, und eine halbe Stunde später trafen wir dort ein, fanden allerdings die enge Dachwohnung bereits mit Menschen überfüllt, denn fast alle Verwandten der Frau hatten sich hierher geflüchtet. Dennoch nahm man auch uns freundlich auf, und ich war froh, wenigstens für die erste Zeit ein Unterkommen zu haben.
    Ehe wir daran denken konnten, einmal ordentlich auszuschlafen, waren noch die Formalitäten im Ort wegen der Anmeldung und vor allem der Verpflegung zu regeln.
    Viel gab es zu erzählen, und dann endlich krochen Jack und ich nur halb entkleidet in ein gemeinsames, behagliches Bett, in welchem wir die Wohltat des langentbehrten und alles auslöschenden Schlafes bis in die helle Morgenfrühe des folgenden Tages genossen.
     
    Dresden Liesbeth Flade
    Ich war bis 1/2 1 2 Uhr in den vorderen Zimmern und im Flur fertig geworden mit dem Wegräumen derSplitter usw., wollte eben meine Leutchen zu einem Eintopf zusammenrufen und dann im Studierzimmer anfangen, wo es ganz besonders schlimm aussah, da hörte ich schon wieder Motorenbrummen. Zwei Schutzleute laufen unten vorbei und rufen: Alarm! Höchste Gefahr! Sie setzen schon wieder Christbäume. Diesmal war unsere Gegend dran mit den Treibstoff-Reservoiren auf der Hamburger Straße, dem Sauerstoffwerk usw. Es gingen keine Sirenen, die waren alle kaputt vom letzten Angriff. Trotzdem stürzten wir alle wie von Furien gejagt in den Keller. Es dröhnte und krachte, zischte und prasselte entsetzlich. Mit Schließers kauerten wir in der Ecke neben der Treppe gegenüber von unserem Kellerraum, und wenn das Haus in den Grundfesten bebte, duckten wir unwillkürlich die Köpfe auf den Fußboden und warteten nur darauf, daß im nächsten Moment alles über uns zusammenstürzte. Während die Bomben noch fielen, verlangte der Luftschutzwart, daß die Feuerwehrleute – ich gehörte dazu – das Haus kontrollierten. Gern taten wir es nicht, das muß ich ehrlich zugeben. Als wir zur Hintertür hinaussahen, dachten wir, es wäre Nacht. Alles schwarz von Qualm, und unser liebes Kirchlein brannte über und über. Da konnte keiner ans Retten denken. Im Haus war zunächst noch alles in Ordnung, nur fegte der Flammensturm sehr viele Funkenwirbel zu dem großen Flurfenster herein, sodaß von da aus Brandgefahr drohte. Wir stellten die Kinder, darunter Maria, mit den langen Feuerpatschen als Wachen auf. Nun kontrollierten wir den Dachboden. Es sah zunächst aus, als wäre alles in Ordnung, die Männer – der Luftschutzwart und ein Verwandtervon ihm – kletterten zum

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