Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
gepackt. Die Verwandtschaft kam zum Abschied. ... die Sache gleich zu enden: 3 oder 4 Selbstmorde, einer von einer Frau begangen, – die freigestellt worden war. Sie hatte nicht den Mut gehabt, nachzufragen. Starb lieber, als sich enttäuschen zu lassen. – Frauen mit Kindern unter 2 Jahren bleiben hier. Was wird aus den Kindern über 2 Jahre? ...Es kam ein schlanker, gutaussehender, feingekleideter Herr auf die (jüdische) Geschäftsstelle, stellte sich als Oberst v. H. vor. ... wurde wegen seiner kranken Frau gleich vorgelassen. Wie der Bescheid ausfiel, weiß ich nicht, – Oberst v. H. hat sich und seine Frau erschossen. So braucht sie auf keinen Fall mit fort. – An 400 Menschen kommen weg, vordringliche, unaufschiebbare Kriegsarbeit. Es soll der letzte Transport sein, (aber) die Gerüchte wollen wissen, es kämen alle weg...
In Bargteheide sah Edith zwei Güterzüge voll elternloser oder verlorener Kinder von 2 bis 12 Jahren. – Das Bahnpersonal schleppte mit ihnen herum, sie zu versorgen. Alle Menschen waren erschüttert ob des trostlosen Anblicks. Die armen, entwurzelten, heimatlosen Kinder des Ostens, unfroh, was hatten sie hinter sich. Und was haben sie noch vor sich?
L.W. und doch noch Alarm. 200 zwei- und viermotorige Bomber in der Elbmündung. Im Begriff, mit Ri. dennoch in den Bunker zu laufen, durch den strömenden Regen, erfuhr ich beglückt: Kursänderung. Sachsen, das bisher geschützte, ist jetzt dran, wird furchtbar beworfen. Dresden! Man sagt, dreimal in 12 Stunden schwer. Die Zeitung spricht von einem ungeheuren Terrorangriff, d.h. nicht der OKW-Bericht. Zwinger weg. Schloß, Hofkirche und vieles andere Unersetzliche.
Wien auch schwer zerstört, Belvedere. – Armes Deutschland. Zeitungsüberschrift: Auf friderizianischen Schlachtfeldern. Todesurteil für den Bürgermeister Flötner von Königsberg/Neumark; hatte seine Stadt ohne Räumungsbefehl verlassen, wurde gehängt. Ich habe nie gedacht, daß das Bürgermeisteramt so gefährlich sei.
bei Frankfurt/Oder Der Rotarmist Sergei Akonowitsch Dadajan 1918–1945
Liebe Mama!
Lange habe ich Dir keinen Brief geschrieben, weil ich dauernd unterwegs war. Jetzt haben wir eine kleine Verschnaufpause, und so habe ich beschlossen, Dir einen kleinen Brief zu schreiben. Es geht mir sehr gut.
Auf dem deutschen Territorium fühle ich mich sehr gut. Wir sind tatsächlich in Europa. Wir befinden uns am Fluß Oder in Nähe der Stadt Frankfurt. Den Deutschen haben wir es ordentlich gegeben, überall liegen die Leichen dieser Schufte. Bald werden wir in Berlin sein, und nur über Berlin werden wir wieder nach Hause kommen. Ich bitte Dich, Dir keine Sorgen um mich zu machen. Ich will nicht viel schreiben. Nimm meinen Gruß und meine besten Wünsche entgegen. Ich küsse Dich herzlich
Dein Sohn Sergei
Namur/Belgien Der Offizier Hans Tausch * 1922
Von einem Sammelplatz am Ufer des Rheins ging es per Bahn zunächst nach Namur in Belgien. Auf dem Marsch durch die Stadt in ein Zwischenlager traf uns die ganze Wut der Bevölkerung, am Straßenrand stehend beschimpften sie uns, manchmal wurde auch mit Prügeln auf uns eingeschlagen. Was mußte sich in dieser Stadt unter deutscher Besetzung ereignet haben, daß sich die Bewohner zu solchem Haß verstiegen! Unsere amerikanischen Bewacher hatten alle Mühe, uns vor den Angriffen zu schützen. Wehe den Besiegten!
Avignon Der Archivar Chobaut
Schönes, mildes Wetter. Die Mandelbäume blühen. Die Demonstrationen vom 12. sind hier wenig befolgt worden, sogar in Marseille nicht. Der Informationsminister Teitgen reiste am 1 2. nach Marseille. »Le Méridional« zitiert mehrere Ausschnitte aus seiner Rede gegen die Hinrichtungen in Nazi- und Gestapo-Manier,die dazu führen, daß daraus Märtyrer und keine Schuldigen werden.
bei Allenstein Viktor Seehöfer
Morgens noch im Dunkeln traten wir zum Weitermarsch an. Ein beschwerliches Gehen auf glatten Waldwegen. Mein einbeiniger Kamerad, dessen Oberschenkelstumpf blutete und eiterte, warf die Prothese fort. Dieses wurde als Weigerung angesehen und der Ärmste seitwärts im Walde erschossen. Aus einem Waldbach, in dem allerdings Pferdekadaver lagen, durften wir ein erstes Mal zum Trinken schöpfen. Dann kamen wir am Tagesziel Geldwangen an – erhielten eine Kartoffelsuppe und kampierten in lädierten Häusern. Nachts zogen uns die Polen- und Russenposten die Mäntel, Schuhe und Stiefel aus.
Elbing Hildegard Bolle
Von hier wurden immer kleinere und
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