Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Haltung blieb er stets einen Schritt zurück.
Der Hauptmann warf die schwere Eichentür auf.
Michael sprang aus seinem Schlafsack. In seiner rechten Hand steckte ein langer Dolch. Er war nackt. Genau wie das schöne Mädchen, das er hinter sich schob.
»Michael?«, sagte der Hauptmann und sah dabei den Dolch an.
Michael errötete. Die Röte begann knapp oberhalb seiner Lenden, fuhr in Flecken über Brust und Hals bis zum Gesicht. »O mein Gott … Mylord, es tut mir so leid …«
Der Hauptmann sah das Mädchen an. Ihre Schamesröte wirkte sogar noch feuriger.
»Das ist doch meine Wäschemagd«, sagte er und hob eine Braue. »Nun scheint sie allerdings die deine zu sein.«
Sie verbarg ihren Kopf.
»Zieht euch an. Michael, draußen herrscht heller Sonnenschein, und wenn diese arme junge Frau die Treppe zum Hof hinuntergeht, wird jede Person in der Festung wissen, wo sie in der letzten Nacht gewesen ist: entweder bei dir, bei mir oder bei Toby. Vielleicht bei allen dreien. Toby hat zumindest den Vorzug, in ihrem Alter zu sein.«
Michael versuchte, seinen Dolch wegzustecken.
»Ich liebe sie!«, sagte er heftig.
»Wunderbar. Diese Liebe wird einen ganzen Berg von Schwierigkeiten erschaffen, die vielleicht damit enden, dass du nicht mehr in meinen Diensten stehen wirst.« Der Hauptmann war wütend.
»Wenigstens ist sie keine Nonne!«, verteidigte sich Michael.
Das brachte den Hauptmann zum Verstummen. Und erfüllte ihn mit schwarzem Zorn. Innerhalb eines einzigen Herzschlages wurde seine müde, abgehobene Belustigung zu dem drängenden Verlangen, Michael zu töten. Er gab sich alle Mühe, nicht die Waffe zu ziehen. Oder seine Fäuste zu gebrauchen. Oder seine Macht.
Michael wich einen Schritt zurück, und Toby stellte sich zwischen den Hauptmann und den Knappen.
Plötzlich umfingen starke, schwere Arme den Hauptmann von hinten. Er wand sich, war von Sinnen vor Wut, konnte den Griff aber nicht abschütteln. Er versuchte, sich breitbeinig hinzustellen und mit dem Kopf nach seinem Gegner zu stoßen, aber der Mann hob ihn einfach vom Boden hoch.
»He!«, rief Tom Schlimm. »He, ihr!«
»Seine Augen glühen!«, sagte Michael mit zitternder Stimme, während sich Kaitlin Lanthorn in die Ecke kauerte.
Tom drehte den Hauptmann um und versetzte ihm eine Ohrfeige.
Alles erstarrte. Die Macht des Hauptmanns hing in der Luft, war auch für jene mit Händen zu greifen, die nicht mit ihr begabt waren. Kaitlin Lanthorn sah sie als Wolke aus Gold und Grün um den Kopf des Hauptmanns.
»Lass mich los, Tom«, sagte er.
Tom stellte ihn wieder auf den Boden. »Worum geht es hier?«
»Mein Idiot von einem Knappen hat eine örtliche Jungfrau defloriert – einfach nur aus Spaß.« Der Hauptmann holte tief Luft.
»Ich liebe sie!«, brüllte Michael. Die Angst ließ seine Stimme hoch und weinerlich klingen.
»Vermutlich«, meinte Tom. »Ich liebe auch alle Frauen, die ich vögele.« Er grinste. »Sie ist nur eine von den Lanthorn-Schlampen. Hier ist kein Schaden entstanden.«
Kaitlin brach in Tränen aus.
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Die Äbtissin …«, begann er.
Tom nickte. »Ja. Sie wird es nicht so gut aufnehmen.« Er sah Michael an. »Ich will dich gar nicht erst fragen, was du dir dabei gedacht hast, denn das kann ich mir gut genug vorstellen.«
»Schaff ihn mir aus den Augen«, sagte der Hauptmann. »Toby, du sorgst dafür, dass sich das Mädchen anzieht, und bring sie … ich weiß auch nicht wohin. Kannst du sie von hier wegschaffen, ohne dass es jemand mitbekommt?«
Toby nickte ernsthaft. »Ja«, sagte er in seinem drängenden Wunsch zu helfen. Toby mochte es nicht, wenn seine Helden wütend waren, besonders nicht aufeinander. Er wollte unbedingt etwas dagegen tun.
Der Hauptmann hatte nun schreckliche Kopfschmerzen, und dabei hatte der Tag kaum erst angefangen.
»Was tust du hier überhaupt?«, fragte er Tom.
»Pampe hat eine Patrouille draußen, und in der Brückenburg befinden sich die Überreste einer Karawane«, erklärte Tom. »Schlechte Neuigkeiten.«
Eine Stunde später erstattete Pampe Bericht, reichte ein Kind vom Sattel ihres Kriegspferdes herunter und salutierte stramm vor ihrem Hauptmann.
»Dreiundzwanzig Wagen. Alle verbrannt. Sechzig Leichen gefunden, noch nicht verwest, und kein großer Kampf.« Sie zuckte die Schultern. »Ein wenig angenagt.« Sie senkte die Stimme, da sich mindestens ein Dutzend Leute in Hörweite befanden und begierig auf Neuigkeiten waren. »Viele bis auf
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