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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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nicht trauen darf. Dass du bloß noch so ein Mensch bist, welchen Körper du auch tragen magst.« Tunxis setzte sich und rollte mit fließender und reiner Anmut auf die Beine.
    »Was auch immer ich sein mag, ohne mich habt ihr keine Aussichten auf einen Sieg gegen die Mächte des Felsens. Allein werdet ihr niemals euren Platz zurückerobern.«
    »Die Menschen sind schwach«, spuckte Tunxis aus.
    »Die Menschen haben deine Art immer wieder besiegt. Sie verbrennen die Wälder. Sie bauen Gehöfte und Brücken und heben Armeen aus, und deine Art verliert andauernd.« Er erkannte, dass er gerade versuchte, mit einem Kind zu verhandeln. »Tunxis«, sagte er und ergriff damit die Essenz der jungen Kreatur. »Tu, was ich dir gesagt habe. Geh, beobachte die Menschen, komm danach zu mir zurück, und erstatte mir Bericht.«
    Aber Tunxis hatte eigene Macht, und Thorn beobachtete, wie ein großer Teil des Zwangs, den er ausübte, von dem Wesen abprallte. Als er seinen Griff lockerte, drehte sich der Dämon um und rannte auf die Bäume zu.
    Erst jetzt erinnerte sich Thorn daran, dass er den Jungen aus einem ganz anderen Grund gerufen hatte. Plötzlich fühlte er sich müde und alt. Aber er strengte sich noch einmal an, rief diesmal einen der Abethnog, die von den Menschen Lindwürmer genannt wurden.
    Die Abethnog waren fügsamer. Sie waren weniger widerspenstig, allerdings genauso aggressiv. Aber da sie nicht die Fähigkeit besaßen, die Macht unmittelbar für sich einzusetzen, vermieden sie für gewöhnlich einen offenen Streit mit dem Magi.
    Sidhi landete sanft auf der Lichtung vor der Steineiche, auch wenn die dazu nötigen Bewegungen große Anforderungen an seine Geschicklichkeit stellten.
    »Ich komme«, sagte er.
    Thorn nickte. »Ich danke dir. Du musst den unteren Teil des Tales im Osten beobachten«, sagte er. »Im Augenblick befinden sich dort Menschen. Sie sind bewaffnet und vermutlich sehr gefährlich.«
    »Welcher Mensch sollte mir gefährlich werden?«, fragte der Lindwurm. Tatsächlich war Sidhi genauso groß wie Thorn, und die Spannweite seiner Flügel war beträchtlich. Sogar Thorn verspürte wahre Angst, wenn ein Abethnog wütend wurde.
    Thorn nickte. »Sie haben Bögen und noch andere Waffen, die dich schwer verletzen könnten.«
    Sidhi ließ ein seltsames Geräusch in seiner Kehle entstehen. »Warum sollte ich dann deinen Befehl ausführen?«
    »Ich habe die Augen deiner Brut geklärt, als sie im Winter umwölkt waren. Ich habe dir den Wärmestein für das Nest deiner Gefährtin gegeben.« Thorn machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, dass er auch weiterhin bereit war, kranke Lindwürmer zu heilen.
    Sidhi faltete seine Flügel auseinander. »Ich wollte eigentlich auf die Jagd gehen«, sagte er. »Ich bin hungrig. Wenn ich von dir gerufen werde, komme ich mir immer wie ein Hund vor.« Die Schwingen wurden breiter und breiter. »Aber vielleicht entscheide ich mich dazu, im Osten zu jagen, und möglicherweise bekomme ich dann deine Feinde zu Gesicht.«
    »Sie sind auch deine Feinde«, sagte Thorn müde. Warum sind sie nur allesamt so kindisch?
    Der Lindwurm warf den Kopf zurück, kreischte und schlug mit den Schwingen. Nach einem Augenblick des Aufruhrs befand er sich in der Luft, und die Bäume um ihn herum verloren in dem gewaltigen Luftsog etliche Blätter. Eine ganze Nacht heftigsten Regens hätte die Bäume nicht derartig entlauben können.
    Dann streckte Thorn seine Macht noch einmal aus – sanft, zögernd, ein wenig wie ein Mann, der in einer dunkeln Nacht aus seinem Bett steigt und eine unvertraute Treppe hinuntergeht. Er wandte sich nach Osten – weiter, noch etwas weiter, bis er das gefunden hatte, was er immer fand.
    Sie. Die Herrin des Felsens.
    Er betastete die Mauern wie ein Mann, der mit der Zunge über einen schlimmen Zahn fährt. Sie war da, eingehüllt in ihre Macht. Und bei ihr war noch etwas vollkommen anderes. Er konnte es nicht erkennen; die Festung besaß ihre eigene Macht und ihre eigenen uralten Sigille, die gegen ihn arbeiteten.
    Er seufzte. Es regnete. Er saß im Regen und versuchte, das Sprossen des Frühlings überall um sich herum zu genießen.
    Tunxis hat die Nonne getötet, und nun verfügt die Äbtissin über noch mehr Soldaten. Er hatte etwas in Gang gesetzt, und er wusste nicht recht, warum er das eigentlich getan hatte.
    Und er fragte sich, ob er einen Fehler begangen hatte.

2

    Der Palast von Harndon · Die Königin
    Desiderata lag auf dem Sofa in ihrem Privatgemach,

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