Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
bereitete.
Er kaufte von einem zerlumpten kleinen Mädchen am Brückentor eine Pastete, und dann verließ er die Stadt.
Harndon · Edward
»Da zieht ein furchterregender Mann dahin«, sagte der Meister zu seinem Lehrling. »Ich kenne nur wenige wie ihn. Und doch ist er sanft wie eine Dame. Er ist ein besserer Ritter als viele, die die Sporen tragen.«
Edward war zu sehr in seine Heldenverehrung versunken, um etwas darauf zu erwidern.
»Und wo bleibt unser wagemutiger Stoffhändler?«, fragte der Meister.
»Er verspätet sich, Euer Gnaden«, antwortete der Lehrling.
Tad Pyle schüttelte den Kopf. »Sogar zu seiner eigenen Beerdigung würde er zu spät kommen«, sagte er, doch seine Stimme verriet, dass er für den Stoffhändler nichts als Verehrung empfand. »Pack die Helme in Stroh ein und bring sie zu Meister Randoms Haus hinüber, ja, Ned?«
Wie freundlich ein Meister auch sein mag, es gibt doch keinen Lehrling, der nicht einen kleinen Ausflug aus der Werkstatt zu schätzen wüsste. »Darf ich ein paar Pfennige haben, damit ich Körbe kaufen kann?«
Meister Thaddeus legte einige Münzen auf seine Handfläche. »Ich wünschte, ich hätte ihm einen Helm fertigen können«, sagte er. »Woher mag wohl der Gedanke an den Drachen gekommen sein?«
Der Palast von Harndon · Die Königin
Desiderata saß geziert auf einem Elfenbeinstuhl in der großen Halle, deren Stuckwände mit den Trophäen geschmückt waren, die Tausende tapfere Ritter mitgebracht hatten – die Köpfe von großen und kleinen Kreaturen, sogar das Haupt eines sehr jungen Drachen, das so groß wie ein Pferd war und die ganze Nordwand neben dem Bleiglasfenster einnahm, wo es wie ein Boot wirkte, das aus dem Meer herausragte. Dieser Drache sah in den Augen der Königin niemals gleich aus – aber immer wirkte er gewaltig.
Sie saß da und schälte mit ihrem Silbermesser einen Winterapfel. Ihr Haar lag wie eine Gloriole aus Braun und Rot und Gold um sie herum – ein sorgsam geplanter Effekt, denn sie befand sich da mitten in dem Lichtpfuhl, den das vom König so geliebte Rosettenfenster warf. Ihre Hofdamen saßen um sie herum und hatten die Röcke auf dem sauberen, schachbrettartig gemusterten Marmorboden ausgebreitet, sodass sie wie gepresste Blumen wirkten. Ein halbes Dutzend der jüngeren Ritter – diejenigen, die eigentlich im Hof miteinander üben oder mit den Meistern die Klingen kreuzen sollten – lehnte an den Wänden. Einer von ihnen, der etwa sechs Jahre älter als die anderen und ihnen an Kampferfahrung überlegen war, wurde »Harthand« genannt, weil er einmal eine Kreatur der Wildnis mit den bloßen Händen getötet hatte. Das war eine Geschichte, die er oft zum Besten gab.
Die Königin mochte keine Angeber. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in Erfahrung zu bringen, wer ihrer Aufmerksamkeit würdig war und wer nicht – dies sah sie sogar als ihre heilige Pflicht an. Es machte ihr Spaß, die Schüchternen herauszufinden, diejenigen tapferen Männer, die niemandem von ihren Taten erzählten. Von den Prahlern hingegen hielt sie wenig – vor allem dann, wenn sie in ihrer Halle saßen und mit ihren Hofdamen schäkerten. Soeben hatte sie beschlossen, den Mann zu bestrafen, als der König eintrat.
Er steckte in einfacher Kampfkleidung, roch nach Pferden, Rüstung und Schweiß, und doch schlang sie die Arme um ihn und seinen Gestank, als wenn sie frisch verheiratet wären. Er lächelte auf ihr Gesicht herunter und küsste sie auf die Nase.
»Ich liebe es, wenn du das tust«, sagte er.
»Dann solltest du öfter Übungskämpfe bestreiten«, erwiderte sie und ergriff seinen Arm. Hinter dem König stand Ser Driant und rieb sich den Hals, und hinter diesem befanden sich Ser Alan sowie der Burgvogt Lord Glendower. Sie lachte. »Hast du all diese armen Ritter besiegt?«
»Besiegt?«, gab Driant zurück und lachte wehmütig. »Ich wurde zerschmettert wie ein Käfer bei einem Erdrutsch, Mylady. Seine Gnaden hat ein neues Pferd, das größer ist als ein Drache.«
Ser Alan zuckte die Achseln. »Ja, und ich wurde vom Pferd geholt, Mylady.« Er warf Ser Driant einen raschen Blick zu und runzelte die Stirn. »Ich glaube, es wäre grob zu sagen, dass das Pferd des Königs Euch in den Sand gestoßen habe«, sagte er.
Driant lachte abermals. Er war nicht der Mann, der sich lange niedergeschlagen zeigte. »Wenn ich mit meinem ganzen Gewicht stürze, zittert der Boden«, meinte er, »und der ist noch gefroren.« Er rieb sich wieder den Hals und
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