Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
und er war ein königlicher Gardist. Sein roter Wappenrock rief es heraus, und die Wildbuben waren seine Feinde, die er gnadenlos verfolgte. Er erwischte einen von ihnen und hieb von hinten auf ihn ein. Es war ein unbeholfener Schlag, bei dem sich seine Waffe in den Hals des Mannes grub, doch der Mann ging zu Boden, Blut schoss aus der Wunde, und der Ritter riss seine Waffe aus dem Körper des Toten und rannte weiter.
Der Nächste, den er erwischte, fiel auf die Knie und bettelte um Gnade. Er war vielleicht vierzehn Jahre alt.
Hawthor hielt inne, doch ein älterer Gardist, der inzwischen zu ihm aufgeschlossen hatte, köpfte den Jungen. »Nissen machen Läuse«, sagte er und lief an ihm vorbei. Hawthor fasste sich ein Herz und lief ebenfalls weiter. Es war schwer, in der Rüstung zu laufen. Und noch beschwerlicher war es, einen Hang mit weichem Boden und verfilztem Unterholz zu erklettern. In seiner Lunge stach es, und als sich die Wildbuben immer wieder sammelten und tödliche Pfeile auf die Gardisten abfeuerten, musste Hawthor gegen den Drang ankämpfen, sein Visier zu öffnen.
Er kam an einigen Männern vorbei, sah Licht zwischen den Bäumen – der Hügelkamm näherte sich. Rechts von ihm hörte er Rufen. Er drehte sich dorthin um und hörte den Klang von Stahl gegen Stahl. Er schaute vor und zurück. Es musste zwar ganz nahe sein, doch mit geschlossenem Visier konnte er nicht erkennen, von wo es kam. Dann flackerte eine Bewegung vor ihm auf. Er lief einige Schritte darauf zu, blieb stehen und sah sich wieder um.
Er hörte das Schaben von gegeneinanderprallenden Klingen. Eine Stimme rief: »Rette sich, wer kann!«
Er keuchte wie ein Pferd nach einem Wettrennen. Er hatte Angst. Er hatte Angst, sie könnten hinter ihm sein. Er schob sein Visier hoch, drehte den Kopf …
Und starb.
In der Nähe von Lissen Carak · Bill Redmede
Bill hatte bereits einen weiteren Pfeil in seinen Bogen eingelegt, nachdem er den letzten dem Ritter ins Gesicht geschossen hatte – nun fühlte er sich besser. Aber zwei weitere seiner Männer lagen am Boden, und er hatte gewiss nicht vor, sich an dem Handgemenge zu beteiligen. Er lief davon.
Sie überquerten den Grat und hasteten auf der anderen Seite des Hügels auf ihre Boote zu. Eine Handvoll Ritter aus der Vorhut versuchten sie aufzuhalten, doch die Wildbuben rannten einfach um sie herum. Erschöpfte Männer ohne Rüstung waren gegenüber erschöpften Männern in Rüstung im Vorteil.
Bill sah den Grafen der Grenzmarken, der zum Greifen nahe schien, und er verfluchte sein Schicksal, dass er so dicht bei seinem Todfeind war und nichts gegen ihn unternehmen konnte.
Er rannte an dem Mann vorbei, weiter den steilen Abhang hinunter, auf das weite Feld, das vor gar nicht langer Zeit noch umgepflügt worden war. Nat Tyler kam links von ihm zwischen den Bäumen hervor, genau wie mehrere Dutzend weiterer Männer – nur eine Handvoll im Vergleich zu ihrer Zahl vor drei Wochen. Aber es war genug, um von Neuem zu beginnen.
Noch über die letzte Anhöhe, den Deich – und dann waren sie bei den Booten. Es waren fünfzig leichte Barken. Sie hatten in der vorletzten Nacht drei vorsichtige Fahrten benötigt, um alle Mann herzubringen, und jetzt …
Und jetzt hätten sie alle zusammen in ein einziges Boot gepasst.
Er warf seinen Bogen in den Rumpf des leichten Schiffes, schob es ins Wasser, sprang hinein und hastete bis zum Bug. Er lenkte es vom schlammigen Ufer weg, und mithilfe eines Paddels hielt er seine Position mitten im Strom. Nun kletterte ein junger blonder Mann ebenfalls in das Boot hinein und brachte es mit seiner Unbeholfenheit zum Schaukeln. Beinahe wäre es gekentert, doch bald ließen sie sich von den Stromschnellen wegtreiben.
Hinter ihnen wurden zwanzig weitere Boote zu Wasser gelassen. Die geschickteren Schiffer brachten sie in Bewegung, und die ungeschickteren starben, als die königliche Wache sie erreichte.
Von den Wildbuben sprangen etliche ins Wasser, ließen ihr Gepäck und ihre Bögen sowie die unschätzbar wertvollen Pfeile zurück, während einige die Geistesgegenwart besaßen, auch den Rest der Boote aus dem Schlamm zu ziehen und sie bis zur Flussmitte zu rudern, wo sie die Schwimmer aufnahmen.
Mehr als hundert Wildbuben waren in dieser Katastrophe gerettet worden.
Sie paddelten davon. Nun war deutlich zu sehen, dass die Brückenburg noch in der Hand der Söldner war. Der Bolzen einer Armbrust flog dicht über dem Wasser auf sie zu und bohrte ein Loch in
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