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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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sich die Tür hinter der Äbtissin.
    Da er nun einen unerwarteten Augenblick der Ruhe bekommen hatte, ging er zu dem Buch hinüber. Es lag unter dem Fenster des heiligen Johannes des Täufers, also blätterte er die Seiten um und suchte nach der Geschichte dieses Heiligen.
    Das Archaisch war geradezu schmerzhaft schlecht, als hätte ein Schulmädchen es ins Gotische und dann wieder zurückübersetzt und dabei beide Male schwere Fehler gemacht.
    Die Kalligrafie jedoch wirkte in ihrer Vollkommenheit beinahe unmenschlich. Auf ganzen zehn Seiten konnte er nicht einen einzigen Schreibfehler entdecken. Wer würde sich eine solche Mühe mit einem derart schlechten Buch geben?
    Das Geheimnis dieses Werkes vermischte sich in seinem Kopf mit dem Geheimnis, das sich in Amicias heruntergezogenen Mundwinkeln verbarg, und so betrachtete er die verschwenderischen Buchmalereien etwas genauer.
    Der Geschichte des heiligen Paternus gegenüber befand sich eine verschlungene Illustration des Heiligen in einer reich verzierten Robe aus Rot, Weiß und Gold. In der einen Hand hielt er ein Kreuz.
    In der anderen Hand hingegen steckte statt einer Kugel ein Destillierkolben, in dem sich wiederum die winzigen Gestalten einer Frau und eines Mannes befanden …
    Der Hauptmann betrachtete den Text und versuchte einen Hinweis darauf zu finden – oder war es Häresie?
    Er richtete sich auf und klappte den Buchdeckel zu. Häresie geht mich nichts an, dachte er. Außerdem mochte diese selbstgerechte alte Frau alles Mögliche sein, aber eine geheime Häretikerin war sie keinesfalls. Er schritt gemächlich durch die Halle, wobei seine Eisenstiefel leise klapperten, und sann weiter über das Buch nach. Verdammt, sie hatte recht, dachte er.
    Nach Norden · Eine Goldene Bärin
    Das Muttertier schwamm, bis es nicht mehr schwimmen konnte, und dann lag es den ganzen Tag auf der Erde. Die Bärin fror bis auf die Knochen und war müde von Blutverlust und Verzweiflung. Ihr Junges schnüffelte an ihr und begehrte Nahrung – also zwang sie sich dazu, welche zu suchen. Sie tötete ein Schaf auf einem Feld, und daran nährten sie sich dann; später fand sie eine Reihe von Bienenkörben am Rande eines anderen Feldes, und sie fraßen sich durch die ganze Kolonie, die aus acht Stöcken bestand, bis beide Bären ganz klebrig und trunken von den Mengen an Zucker waren. Die Bärin schmierte sich mit der Zunge Honig in die Wunden, die ihr das Schwert geschlagen hatte. Menschen wurden ohne Krallen geboren, aber die Klauen, die sie schmiedeten, waren tödlicher als alles, was die Wildnis ihnen hätte geben können.
    Sie sang für ihre Tochter und rief deren Namen.
    Und ihr Junges jammerte wie ein Tier.
    Als Lili wieder zu Kräften gekommen war, trotteten sie weiter nach Norden. In jener Nacht roch sie zum ersten Mal den Eiter in ihren Wunden. Sie leckte daran; es schmeckte schlecht.
    Sie versuchte an glücklichere Tage zu denken – an ihren Gefährten Rostrot und an die Höhle ihrer Mutter in den fernen Bergen. Doch ihre Versklavung hatte so lange gedauert, dass die Erinnerung undeutlich geworden war.
    Sie fragte sich, ob ihre Wunde tödlich sein mochte. Ob der Krieger seine Klaue vergiftet hatte.
    Sie ruhten einen weiteren Tag, und die Bärin fing Fische. Sie waren von keiner Art, die sie kannte, schmeckten aber ein wenig nach Salz. Sie wusste, dass der große Ozean salzig war; vielleicht schwammen Meeresfische in diesem Fluss.
    Sie waren leicht zu fangen, sogar für eine verwundete Bärin.
    Am Rand eines Feldes gab es weitere Bienenstöcke, deren wütender Bewacher allerdings von seiner Steinhütte aus Pfeile auf sie abschoss. Doch keiner traf, und sie eilten davon.
    Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, aber ihr Geist sagte ihr, sie solle nach Norden gehen. Der Fluss kam aus ihrer Heimat, und sie schmeckte die eiskalte Quelle darin. Also bewegte sie sich weiterhin nach Norden.
    Die Große Nordstraße · Gerald Random
    Gerald Random, Abenteurer und Kaufmann aus Harndon, schaute auf seine Wagenkolonne zurück und verspürte den Stolz, den ein Hauptmann für seine Kompanie oder ein Abt für seine Mönche empfinden mochte. Er besaß zweiundzwanzig Wagen, die allesamt in seinen eigenen Farben – Rot und Weiß – angestrichen waren, wobei die mannshohen Räder über sorgfältig aufgepinselte rote Ränder und weiße Speichen verfügten. Jeder Wagen war mit weißem, rot abgesetztem Stoff ausgeschlagen, und Szenen aus der Leidensgeschichte Christi schmückten die

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