Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Mittelpunkt; sie trug nun ernstes und kostbares Schwarz und hatte ein glitzerndes Kreuz aus schwarzem Onyx und Weißgold angelegt. Sie nickte ihm zu, und er verneigte sich in höfischer Manier vor ihr. Die Vollkommenheit ihres schwarzen Äbtissinnenhabits und des achtstrahligen Kreuzes stand in starkem Gegensatz zu dem Braunschwarz des voluminösen Priestergewandes, das der Priester über seinem kadaverdürren Körper trug. Der Hauptmann roch den Schweiß des Mannes, als dieser an ihm vorbeiging. Er war nicht allzu reinlich, und sein Geruch wirkte im Vergleich zu dem der Frauen sehr aufdringlich.
Die Nonnen schritten hinter ihrer Äbtissin her. Fast das ganze Kloster war zur Messe erschienen; es waren mehr als sechzig Nonnen, die in ihren schiefergrauen Habits mit den achtstrahligen Kreuzen des Ordens einen sehr gleichförmigen Eindruck machten. Dahinter kamen die Novizen – weitere sechzig Frauen in blasserem Grau, einige Kutten waren von weltlicherem Schnitt und betonten den Körper mehr, andere weniger.
Sie trugen Grau, und es herrschte Zwielicht, aber der Hauptmann hatte keine Schwierigkeiten damit, Amicia herauszufinden. Er wandte gerade noch rechtzeitig den Kopf ab, um zu bemerken, wie ein Bogenschütze, der ihm als der kleine Sym bekannt war, eine Geste machte und einen kurzen anerkennenden Pfiff ausstieß.
Plötzlich hatte der Hauptmann wieder ein Gefühl für die Welt. Er lächelte.
»Nimm den Namen dieses Mannes auf«, sagte er zu Jehannes. »Zehn Peitschenhiebe wegen Respektlosigkeit.«
»Ja, Mylord.« Marschall Jehannes legte die Hand auf den Kragen des Mannes, noch bevor der Hauptmann Luft holen konnte. Der kleine Sym – neunzehn Jahre alt und bei den Frauen keineswegs beliebt – schlug nicht einmal um sich. Er wusste, wann er eine Bestrafung verdient hatte.
»Ich wollte nur …«, begann er, doch dann sah er das Gesicht des Hauptmanns. »Ja, Hauptmann.«
Der Blick des Roten Ritters allerdings ruhte auf Amicia. Und seine Gedanken waren irgendwo anders.
Die Nacht verlief entspannt, und für Soldaten war Entspannung gleichbedeutend mit Wein.
Amy Hock lag noch im Bett, und der Rote Daud befiederte frische Pfeile für die Truppe und gab zu, dass es ihm »dürftig« gehe, was in der Truppe lediglich eine andere Bezeichnung für einen so schlimmen Kater war, dass er seine Kampfkraft beeinträchtigte. Ein solcher Kater zog für gewöhnlich eine Bestrafung nach sich, aber am Tag nach der Beerdigung von sieben Kameraden wurde eine Ausnahme gemacht.
Das Lager verfügte über einen eigenen fahrbaren Ausschank, der vom Großen Marketender bedient wurde, einem Kaufmann, der der Truppe eine hohe Gebühr dafür bezahlte, dass er sie mit seinen Wagen begleiten und ihre Einkünfte abschöpfen durfte, sofern sie denn welche hatten, die sie gleich wieder ausgeben konnten. Er wiederum kaufte Wein und Bier aus den Lagern der Festung und in der Stadt am Fuß von Lissen Carak, die nur aus vier Straßen mit sauberen Steinhäusern und Geschäften bestand, die sich an die untere Festungsmauer schmiegten und deshalb »die Unterstadt« genannt wurden. Aber die Unterstadt stand auch der Truppe offen, und ihre Taverne, die unter dem Namen »Zur strahlenden Sonne« bekannt war, schenkte sowohl in ihrem großen Raum als auch im Hof aus. Die Taverne machte im Augenblick gute Geschäfte und verkaufte in wenigen Stunden so viel Bier wie sonst in einem ganzen Jahr. Die Handwerker schlossen ihre Kinder ein.
Doch mit alldem gab sich der Hauptmann nicht ab. Er musste sich um Gelfreds Vorhaben kümmern, allein zum Waldrand zurückzugehen, während der Hauptmann seinen wertvollsten Mann keineswegs ohne Schutz losziehen lassen wollte. Und ein Schutz war nicht verfügbar.
Gelfred stand im leichten Regen vor seinem Zelt, war in einen dreiviertellangen Mantel gehüllt und trug hohe Schaftstiefel und eine dicke Wollkappe. Ungeduldig klopfte er mit dem Stock gegen seinen Stiefel.
»Wenn es so weiterregnet, werden wir dieses Wesen nicht mehr finden«, sagte er.
»Gib mir bloß noch eine Viertelstunde, damit ich uns ein paar Wachen besorgen kann«, fuhr ihn der Hauptmann an.
»Aber eine Viertelstunde bleibt uns vielleicht nicht mehr«, wandte Gelfred ein.
Der Hauptmann wanderte durch das Lager. Er war ungerüstet und bedauerte bereits seine Entscheidung, bequeme Kleidung angelegt zu haben. Aber auch er hatte in der letzten Nacht zu viel getrunken und war zu lange aufgeblieben. Der Kopf tat ihm weh, und wenn er in die Augen seiner
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