Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
Ranald Lachlan
Ranald stand in der Morgendämmerung auf. Der alte Mann war verschwunden, hatte ihm aber eine in Winterzwiebeln gebratene Rehleber zurückgelassen – ein wahres Festmahl. Er sprach ein Gebet für den Alten und noch ein weiteres, als er herausfand, dass dieser eine Decke über Ranalds Reitpferd gelegt hatte. Er räumte das Lager und war bereits aufgestiegen, bevor die Sonne über den Bergen im Osten stand.
Es war ein Ritt, den er zusammen mit dem König schon hundertmal unternommen hatte. Er folgte der großen Straße am Albin entlang nach Norden und verließ ihn nur dort, wo sich der mächtige Fluss wie eine endlose Schlange wand, die Straße aber so gerade verlief, wie es die Beschaffenheit des Geländes erlaubte. Sie umrundete lediglich einige Hügel und reiche Herrenhäuser und überquerte den Albin zwischen Harndon und Albinkirk siebenmal auf großen steinernen Brücken. Bei Lorica gab es die erste Brücke, bei Cheylas die zweite – das war eine hübsche Stadt mit feinen Ziegelhäusern, die rote Dachschindeln und runde Kamine hatten. Er nahm ein üppiges Mahl in einer Taverne zu sich, die sich Zum Kopf des Irk nannte, und hatte sie bereits wieder verlassen, bevor das gute Bier ihn dazu hatte verführen können, die Nacht hier zu verbringen. Er ging zu seinem großen Gaul zurück und ritt weiter nach Norden. Er überquerte die Brücke von Cheylas, als die Sonne hoch am Himmel stand, und näherte sich der dritten Brücke so schnell, wie es sein Pferd zuließ.
Als die Dunkelheit allmählich einsetzte, überquerte er sie. Der Brückenwächter nahm keine Gäste auf – es war ihm gesetzlich verboten –, wies ihm aber freundlich den Weg zu einem reichen Gehöft am Westufer. »Weniger als eine Meile«, sagte der frühere Soldat.
Ranald stellte erfreut fest, dass die Anweisungen des Mannes vollkommen richtig gewesen waren, denn die Nacht schien ihm finster und kalt, obwohl es schon Frühling war. Weit vor sich sah er Nordlichter am Himmel, die ein Gefühl in ihm weckten, das Ranald nicht mochte.
Das Herrenhaus von Bampton überstieg jede Vorstellung, die ein Hochländer von Reichtum hatte, aber Ranald war bereits an den Luxus des Südens gewöhnt. Man gab ihm ein Bett und ein Stück Wildbret sowie einen Becher mit Rotwein, und am nächsten Morgen lächelte der Edelmann, dem das Haus und die Ländereien der Umgebung gehörten, über Ranalds Angebot einer Bezahlung.
»Ihr seid ein Gardist des Königs?«, fragte der junge Mann. »Ich bin … ich wäre gern Soldat. Ich verfüge sogar über eine eigene Rüstung.« Er errötete.
Ranald lachte nicht. »Würdet Ihr dem König gern dienen?«, fragte er.
Der junge Mann nickte. »Hawthor Veney«, stellte er sich vor und streckte die Hand aus.
Die Haushälterin kam mit einem Beutel herbei. »Ich habe Euch ein Mittagessen zusammengestellt«, sagte sie. »Was gut für einen Bauersmann ist, das ist auch gut für einen Ritter, sag ich immer.«
Ranald verneigte sich vor ihr. »Euer Diener, Madame. Ich bin kein Ritter, sondern bloß ein Diener des Königs, der nach Hause zu seiner Familie reist.«
»Ein Hochländer?«, sagte sie und rümpfte kurz die Nase. Es war eine Geste, die besagte, dass Hochländer nicht immer gute Menschen waren, doch gegen diesen hier hatte sie nichts einzuwenden.
Er verneigte sich noch einmal und fragte dann den jungen Hawthor: »Übt Ihr auch mit Euren Waffen, Messire?«
Hawthor strahlte, und die alte Haushälterin kicherte. »Er tut nichts anderes. Er pflügt nicht, er erntet nicht, er hilft nicht einmal im Heu. Er jagt keine Dienstmädchen und trinkt nicht.« Sie schüttelte den Kopf.
»Mutter Evans!«, sagte Hawthor mit der gerechten Verärgerung eines Herrn über eine unbotmäßige Dienerin.
Sie rümpfte noch einmal die Nase, doch diesmal wirkte es vollkommen anders.
Ranald nickte. »Würdet Ihr Euer Schwert gern mit dem meinen messen, junger Herr?«
Schon nach wenigen Minuten waren sie bewaffnet und in ausgepolsterte Westen gekleidet. In Helm und Panzerhandschuhen standen sie auf dem Hof, mit einem Dutzend Arbeiter als Zuschauer.
Ranald liebte es, mit der Axt zu kämpfen, doch der Dienst in der königlichen Garde erforderte es, sich auch mit dem Schwert auszukennen. Das bei Hof gebräuchliche Schwert maß vier Fuß reinsten Stahls. Der Junge – Ranald hielt sich nicht für alt, aber Hawthor verschaffte ihm mit jeder neuen Bemerkung das Gefühl, alt zu sein – hatte zwei Übungswaffen, die nicht allzu gut ausbalanciert
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