Der Rote Mond Von Kaikoura
Baustelle Bescheid wissen. Wen außer dir sollte ich denn sonst schicken?«
Lillian nickte und machte sich sogleich an die Vorkehrungen für ihren Ritt.
Nachdem sie Mrs Peters gebeten hatte, nach ihrem Großvater zu sehen, sattelte sie ihre Stute und holte eine kleine Wegzehrung aus der Küche.
»Und du kommst wirklich zurecht?«, fragte sie, als sie noch einmal nach ihrem Großvater sah.
»Du bist ja immer noch hier!«, entgegnete Georg mit gespielter Entrüstung. »Ich glaube, ich höre den Transport schon rumpeln.«
»Keine Sorge, ich bin schneller«, entgegnete Lillian, gab ihm noch einen Kuss und machte sich dann auf den Weg.
Sie erreichte den schützenden Busch, noch bevor die Mittagshitze einsetzte. Den Wundern der Pflanzen-und Vogelwelt schenkte sie diesmal allerdings nur wenig Beachtung, denn ihre Gedanken waren bereits bei der Sternwarte und bei Henare.
Dieser hatte auf der Baustelle das Kommando übernommen und überwachte die Arbeiten wahrscheinlich genauso streng wie Georg selbst.
An der Sternwarte angekommen, machte sich Lillian sogleich auf die Suche nach dem Maori. Sie fand ihn zwischen einigen Arbeitern, mit denen er etwas besprach. Worum es ging, bekam Lillian nicht mehr mit, denn kaum hatten die Arbeiter sie entdeckt, machten sie Henare auf sie aufmerksam.
»Das ist erst mal alles«, sagte er daraufhin zu seinen Männern und wandte sich ihr zu.
»Guten Morgen, Miss Ehrenfels, was führt Sie zu mir?« Besorgnis schlich in seinen Blick. »Ist etwas mit Ihrem Großvater?«
»Nein, es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Ich habe hier etwas für Sie, das Sie sicher freuen wird.« Damit reichte sie ihm das Telegramm. »Großvater bittet Sie, dabei zu sein, wenn sie nach Kaikoura gebracht wird. Um sicherzugehen, dass auch ja keine Scheibe zu Bruch geht.«
»Ich glaube kaum, dass die Kuppel in einem Stück geliefert wird, das wäre selbst für die besten Pferde zu schwer. Wahrscheinlich wird man die Einzelteile zunächst nach Kaikoura bringen und dann zur Baustelle, wo sie dann, wenn es so weit ist, zusammengesetzt und verbaut werden. Wahrscheinlich soll ich in die Stadt kommen, um sicherzustellen, dass alles vollzählig ist.«
»Dann wissen Sie also, aus wie vielen Teilen die Kuppel bestehen soll?«
Henare nickte. »Aus genau dreihundertzweiundfünfzig Teilen, sofern nicht einige schon vorher montiert werden. Was ich ehrlich gesagt inständig hoffe.«
»Mein Großvater ist die Baupläne genauestens mit Ihnen durchgegangen, nicht wahr?«
»Ja, das ist er. Da es Mr Caldwell nicht möglich ist, ständig auf dem Bau zu sein, bin ich nach Ihrem Großvater derjenige, der wirklich jede Einzelheit der Sternwarte kennt.«
»Bei Mr Caldwell ist das nicht der Fall?«, wunderte sich Lillian.
»Natürlich weiß Mr Caldwell über die wichtigsten Dinge Bescheid, aber einige Informationen hat er von vornherein mir überlassen, weil er weiß, dass ich in seinem Sinne handeln werde.«
Offenbar schien nicht nur ihr Großvater große Stücke auf Henare zu halten.
»Passen Sie nur auf, dass mein Großvater Sie nicht abwirbt, bei all dem Wissen, das Sie besitzen«, bemerkte Lillian spöttisch, worauf der Maori auflachte. »Ihr Großvater hat mir bereits das Angebot gemacht, für ihn zu arbeiten. Und ich muss sagen, dass mich die Astronomie wirklich sehr interessiert.« Henare lächelte sie breit an, dann fügte er hinzu: »Sie sehen, so schnell werden Sie mich nicht wieder los.«
Bei ihrer Rückkehr am späten Abend fand sie zwar keine Mrs Blake vor, allerdings meinte sie, noch eine Spur ihres Parfüms in der Luft zu riechen.
»Lillian, bist du das?«, fragte ihr Großvater aus seinem Zimmer.
»Ja, Großvater. Ich komme gleich, brauchst du etwas?«
»Vielleicht könntest du mir einen Kaffee kochen. Und natürlich will ich alles über die Baustelle hören.«
Wenig später trat Lillian mit zwei Tassen dampfenden Kaffees durch die Tür. Kein Buch lag auf dem Schoß ihres Großvaters; entweder hatte er sie beiseitegelegt oder andere Zerstreuung gefunden. Letzteres war wahrscheinlich, denn Lillian entdeckte Kuchenkrümel auf der Bettdecke. Offenbar hatte Mrs Blake ihm etwas von ihren Köstlichkeiten mitgebracht.
»So, und nun erzähl mir, wie es vorangeht«, verlangte er, nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken hatte.
»Sehr gut. Mr Arana meint, dass die Kuppel schon bald aufgesetzt werden könnte, wenn sie denn erst einmal da ist.«
»Das sind wirklich gute Nachrichten! Und er ist auch ein guter
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