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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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und ihn beruhigen.
    Die Abendluft war angenehm kühl und roch würzig nach Erde und Meerwasser. Aus der Ferne klang das Rauschen des Meeres an ihr Ohr.
    Lillian verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zum Himmel, an dem eine blasse Mondsichel erschienen war. Deren Licht reichte nicht aus, um die anderen Gestirne zu überstrahlen, gleichberechtigt sorgten sie dafür, dass nächtliche Wanderer ihren Weg fanden.
    Was für ein Tag! Und dabei hatte alles so gut angefangen. Adeles Brief war ihr wie ein Zeichen des Himmels erschienen – dem dann die Katastrophe gefolgt war.
    Wie hatte es nur so weit kommen können?, fragte sie sich wieder, doch sie wusste, dass sie darauf keine Antwort erhalten würde. Allerdings würde ihr Großvater jetzt noch eindringlicher darauf bestehen, dass sie nicht mehr zur Baustelle ritt. Die kommenden Wochen würde sie ohnehin damit verbringen müssen, ihn zu pflegen. Aber selbst wenn er wieder auf den Beinen war, würde sie die Sternwarte wohl erst wieder zu Gesicht bekommen, wenn sie fertig gebaut war.
    Nun gut, das war jetzt Nebensache. In den Nachbarhäusern waren die Lichter längst verloschen. Fröstelnd kehrte Lillian ins Haus zurück, setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, in dem ihr Großvater leise seufzend atmete, und ließ sich schließlich doch von den Armen des Schlafs umfangen.

20
    Lillian erwachte, als etwas gegen ihren Arm tippte. Erschrocken fuhr sie auf und sah sich einen Moment lang verwirrt um, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie noch immer in der Schlafstube ihres Großvaters saß, genau auf dem Stuhl, auf den sie sich nach ihrem kleinen Rundgang ums Haus wieder gesetzt hatte.
    »Lilly, Liebes«, vernahm sie die Stimme ihres Großvaters. Er war es auch gewesen, der sie angestupst hatte. »Was suchst du denn hier?«
    Seine Stimme klang schwach und trocken. Als Lillian zur Seite blickte, sah sie Schweißperlen auf seiner Stirn. Augenblicklich wollte sie aufspringen, doch Georg hielt sie zurück.
    »Du hättest schlafen gehen sollen. Wegen einem alten Mann schlägst du dir die Nacht um die Ohren, wo du doch lieber etwas tun solltest, um weiterhin so schön zu bleiben, wie du bist.«
    Lillian ignorierte das Kompliment. »Wie geht es dir, Großvater? Fehlt dir etwas? Hast du Schmerzen oder Fieber?«
    »Mir ist schrecklich warm und der Gips bringt mich um«, gestand er. »Wenn du ein bisschen das Fenster öffnen könntest, damit frische Luft reinkommt? Und etwas zu trinken wäre schön.«
    »Natürlich, Großvater«, entgegnete Lillian, während sie sich erhob und zum Fenster eilte. Sorge brannte in ihr. Sie wusste, dass ihr Großvater gerne untertrieb, wenn es um sein eigenes Wohlbefinden ging. Nie gab er zu, wenn er Sorgen hatte, selbst wenn es offensichtlich war. Und wenn er mal ein Wehwehchen hatte, tat er es mit einer lässigen Handbewegung ab.
    »Soll ich vielleicht doch lieber Dr. Corben holen?«
    »Nein, ich glaube, das wird nicht nötig sein. Hol mir einfach ein bisschen Wasser. Man kann nicht erwarten, dass ein Mann, der von einem Baugerüst gefallen ist, am nächsten Tag singt und tanzt, oder?«
    Lillian schüttelte den Kopf und begab sich dann in die Küche, wo sie einen Becher Wasser eingoss. Ihr Großvater hatte recht, man durfte von ihm nicht erwarten, dass es ihm gut ging. Auch hatten Verletzungen es manchmal so an sich, dass die Schmerzen nach einem Tag noch schlimmer wurden. Dennoch hätte sie am liebsten den Arzt geholt.
    »Bist du sicher, dass sich Dr. Corben dein Bein nicht noch mal ansehen soll?«, hakte sie nach, als sie ihm das Wasser brachte.
    »Ach was. Ich bin sicher, dass er sich ohnehin im Laufe des Tages wieder blicken lassen wird. Mein Bein schmerzt, meine Rippen auch, und mein Schädel fühlt sich an, als würde er jeden Augenblick explodieren. Aber das ist nichts, was sich der Arzt ansehen müsste. Jedenfalls nicht gleich.«
    Lillian sah ihn noch eine Weile besorgt an, doch auch das konnte ihn nicht umstimmen.
    »Erzähl mir lieber, wie es unserem guten Mr Ravenfield geht. Hat er dir wieder Blumen geschickt?«
    Lillian schüttelte errötend den Kopf. »Nein, bisher nicht. Aber ich habe ihn seit unserem Streit auch nicht wiedergesehen.«
    »Streit?«, wunderte sich Georg, und Lillian fiel ein, dass sie ihm gar nichts davon erzählt hatte.
    Also holte sie es nach, obwohl sie immer noch befürchtete, ihr Großvater würde sie auslachen. Georg nickte zu ihren Schilderungen, schob zwischendurch die Unterlippe vor, dann brummte er

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