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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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waren die Maori weiser, als die zugereisten Weißen sich eingestehen wollten. Dieser Blutmond hatte den Menschen tatsächlich Tod und Verderben vorausgesagt. Ein Schauer kroch über ihren Nacken. Wie klein war doch der Mensch, wie ausgeliefert den Kräften der Natur!
    »Lillian!«, riss eine Männerstimme sie aus ihren Gedanken.
    Als sie aufblickte, kam Henare mit langen Schritten auf sie zu. Staub und Erschöpfung hatten auch sein Gesicht gezeichnet, dennoch wirkte er noch immer kraftvoll – ganz im Gegensatz zu ihr, die glaubte, sich nie mehr von dieser Treppe erheben zu können. Als er sich neben sie setzte, bedachte sie ihn mit einem müden Lächeln.
    »Wie geht es dir?«, fragte er, während er ihre Hand nahm.
    »Ich bin vollkommen erschöpft. Aber es geht mir besser als vielen anderen, die ich heute gesehen habe.«
    Als Henare sie eindringlich ansah, merkte sie, dass das nur die Hälfte von dem war, was er eigentlich wissen wollte.
    »Die Männer haben deinen Großvater aus dem Haus geborgen. Er wurde zu den anderen gebracht, und sie suchen nach den Angehörigen.«
    Lillian fuhr auf. »Dann sollte ich …«
    Henare ergriff ihren Arm und zog sie sanft auf die Stufen zurück. »Ich habe schon alles in die Wege geleitet und dem Totengräber gesagt, dass du am Leben bist und dich um die Sache kümmern wirst. Sie wollen es so halten, dass alle, die noch Angehörige haben, von jenen auch bestattet werden. Wenn es ganze Familien getroffen hat, sollen sie zusammen in einem Grab bestattet werden.«
    Der Pragmatismus dieser Worte ließ Lillians Magen zusammenkrampfen. Als ein paar Leute auf Bahren an ihr vorbeigetragen wurden, verkrampfte sie sich. Dass Tücher über die Körper gebreitet waren, bedeutete, dass jegliche Hilfe zu spät gekommen war. Je mehr Stunden vergingen, desto häufiger schien das der Fall zu sein.
    »Hast du etwas von Samantha Carson gehört?«, hörte sie sich leise fragen, als die Bahrenträger fort waren.
    »Nein, bisher nicht. Aber wir waren ja auch am anderen Ende der Stadt. Vielleicht solltest du dich bei den Männern auf deinem Ende erkundigen.«
    Daran hatte Lillian in der Hektik nicht gedacht. Da waren die Verletzten gewesen, am Ende hatte sie nicht mehr gezählt, wem sie alles provisorische Verbände angelegt hatte. Irgendwie hatte sie damit auch ihre eigene Trauer zurückgedrängt. Schweigend nickte sie und dachte dann wieder an Mrs Blake. Nachdem sie sich ein wenig gefasst hatte, hatte sich die Teestubenbesitzerin den Helferinnen angeschlossen. Seither hatte sie sie nicht mehr gesehen. Aber wie sollte sie auch in dem hier herrschenden Chaos einen einzelnen Menschen finden?
    »Sie wollen ein Hospital am Stadtrand errichten«, sagte Henare schließlich. »Ich werde heute Abend dorthin gehen und mithelfen, es aufzubauen. Anschließend werde ich zur Baustelle reiten und nachschauen, wie viele Männer betroffen sind. Jene, denen nichts passiert ist, werde ich bitten, in der Stadt auszuhelfen. Wenn sie nicht selbst schon auf dem Weg hierher sind.«
    »Und was ist mit Mr Caldwell?«
    »Er wird verstehen, dass ich so handle. In diesem Augenblick geht es nicht um irgendwelche dummen Drohungen, sondern um Menschenleben, und sollte er dafür kein Verständnis haben, gibt es für mich auch keinen Grund mehr, weiter für ihn zu arbeiten.« Henare streichelte ihr zärtlich die Wange. »Jetzt bringe ich dich am besten zu einer der Notunterkünfte. Mr Nichols hat sein Hotel kostenlos für die Flüchtlinge geöffnet. Seltsamerweise ist sein Haus nicht so schlimm betroffen, er vermutet, weil damals sehr massive Steine für das Fundament verwendet wurden.«
    »Das ist sehr nett von ihm«, entgegnete Lillian, noch immer wie betäubt. »Aber vielleicht sollte ich lieber mitkommen und im Hospital helfen.«
    »Das kannst du morgen auch noch tun. Jetzt solltest du dich ausruhen, wenigstens ein bisschen.«

28
    In dieser Nacht kam es zu einigen allerdings leichten Nachbeben, die es sämtlichen Leuten im Hotel verwehrte, Schlaf zu finden.
    Zwei der Frauen in Lillians Zimmer beteten die ganze Zeit über leise vor sich hin, während sie am Fenster saß und auf die Straße blickte.
    »Sie sollten lieber ins Bett gehen«, sagte Rose, die sie hier wiedergetroffen hatte und die ebenfalls kein Auge zubekam. »Wenn es wieder einen Erdstoß gibt, werden Sie aus dem Fenster fallen.«
    Lillian schüttelte den Kopf. »Im Bett sind meine Chancen, verschüttet zu werden, genauso groß. Außerdem werde ich in aller Frühe zum

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