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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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sein Versprechen gehalten und Frieden mit ihm geschlossen.
    »Ihr könnt mit ihm sprechen, strengt ihn aber nicht allzu sehr an. Sein mana ist sehr schwach, es reicht höchstens noch für ein paar Tage.«
    Während sich der Heiler in das Dunkel der Hütte zurückzog, traten Henare und Lillian näher.
    »Vater, das ist Lillian«, stellte Henare sie mit leiser Stimme vor.
    Sein Vater konnte weder antworten, noch zeigte sein Gesicht eine erkennbare Reaktion, doch in seine Augen trat für einen Moment ein Leuchten, als hätte er einen guten Bekannten erblickt.
    »Ihre Großmutter war eine von uns«, setzte er zu. »Ahani war ihre Großmutter. Erinnerst du dich an sie?«
    Der Mund des ariki formte einen Laut, doch er war zu schwach, als dass man ihn gehört hätte. Lillian fragte sich, wann er etwas über sie gesagt haben sollte. Innerhalb eines Tages hatte sich sein Zustand doch nicht so verschlechtern können! Doch es war egal. Der Blick des Häuptlings strahlte noch immer Zufriedenheit aus. Ganz leicht nickte er Lillian zu, dann schloss er die Augen wieder.
    Der Heiler, der alles genau beobachtet hatte, trat wieder aus dem Schatten.
    »Ich glaube, er ist zufrieden mit dir«, sagte er.
    Obwohl Lillian eigentlich nichts mit dem Mann verband, verspürte sie plötzlich eine ähnliche Trauer wie um ihren Großvater.
    »Henare, du solltest zum heiligen Ort reiten und dort die Götter für deinen Vater bitten«, wandte sich der tohunga an Henare. »Ich denke, es wird Zeit.«
    Henare, der offenbar wusste, was zu tun war, nickte.
    »Kann ich mitkommen?«, fragte Lillian, doch er schüttelte den Kopf.
    »Das muss ich allein machen. Bleib du hier, Aperahama wird sich um dich kümmern, nicht wahr?«
    »Ich weniger, aber meine Enkelinnen. Sie sind schon ganz begierig, dich näher kennenzulernen; während der letzten Wochen haben sie mir Löcher über dich in den Bauch gefragt, und unglücklicherweise konnte ich ihnen keine andere Antwort geben, als dass du die Enkelin von Georg bist.« Ein bedrückter Ausdruck trat auf das Gesicht des Heilers. Offenbar hatte Henare ihm bereits erzählt, was passiert war.
    »Die Enkelin von Georg und Ahani«, korrigierte Lillian lächelnd.
    »Dann weißt du es jetzt also?«
    »Er hatte es aufgeschrieben. Seine ganze Geschichte bis zum Tod meines Vaters. Er hat sich gefragt, ob sein Versprechen auch damit erfüllt wäre, dass ich hier bin.«
    Der Heiler lächelte versonnen. »Das ist es.«
    »Wie du siehst, hängt mein Herz nicht nur an den Dingen der Weißen«, schaltete sich Henare wieder ein. »Ich habe mir ein Mädchen unseres Stammes ausgesucht.«
    Mit diesen Worten und einem zärtlichen Blick verabschiedete sich Henare fürs Erste von ihr.
    Als er fort war, führte der Heiler sie aus der Hütte des ariki zu seiner eigenen Behausung. Unterwegs bemerkte Lillian die neugierigen Blicke der Frauen und Männer. Was wussten sie über sie? Wenn der Heiler ihren Großvater erkannt hatte, hatte er ihnen die Geschichte von dem weißen Jungen erzählt, der eine Maori liebte?
    »Deine Großmutter war wirklich eine Schönheit«, sagte der Heiler nach einer Weile. »Das schönste Mädchen im ganzen Dorf, und einem anderen versprochen. Aber dein Großvater war sehr stur, er wollte sie um jeden Preis haben. Und er hat es geschafft. Leider haben es die Götter vorgezogen, Ahani bei der Geburt deines Vaters zu sich zu nehmen. Wenn dem nicht so gewesen wäre, wäre er sicher hier geblieben.«
    Und ich wäre vielleicht nie geboren worden, ging es Lillian durch den Sinn.
    »Ich frage mich nur, warum er es all die Jahre verheimlich hat. Ich hätte gewiss nichts dagegen gehabt, sein Geheimnis zu kennen.«
    »Aber wo hättest du dich dann heimisch gefühlt?«, fragte der Heiler. »In dem Land deines Großvaters oder dem deiner Großmutter? Wohin hätte es dich gezogen?«
    »Zu beiden«, antwortete Lillian ehrlich. »In Deutschland habe ich eine sehr gute Freundin, und Großvater hatte mir Gelegenheit gegeben, den Wissenschaften nachzugehen. Aber hier fühle ich mich wohl, schon vom ersten Augenblick an, als ich hergekommen war.«
    Ein Knall, der laut durch den Wald hallte, schreckte eine Schar Vögel auf, die sich laut kreischend über die Baumwipfel erhoben. Lillian zuckte zusammen und wirbelte herum. Was war dort passiert?
    Als ihr einfiel, dass Henare in diese Richtung geritten war, stach ihr die Angst schmerzhaft in die Seele.
    Bevor sie aus ihrer Lähmung erwachte, stürmten schon ein paar Männer aus dem Dorf zu

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