Der Rote Mond Von Kaikoura
mit Sternenkunde beschäftigte.
»Eine Sternwarte?«, fragte Mrs Peters entgeistert. »Wozu soll das denn gut sein?«
»Um die Sterne zu beobachten. Um herauszufinden, in welchen Bahnen sie ziehen, welchen Einfluss sie auf unser Leben haben. Auf die Natur, den Lauf der Dinge.«
»Aber ist es nicht Gottes Sache, wie die Gestirne laufen und was sie in der Natur bewirken?«
»Natürlich!«, entgegnete Lillian, die Mrs Peters nicht verärgern wollte. »Aber ist es nicht so, dass er uns einen Verstand gegeben hat, damit wir seine Schöpfung begreifen lernen?«
Darauf sagte die Nachbarin nichts, doch Lillian meinte, ein leichtes Kopfschütteln zu sehen. Natürlich fing sich Mrs Peters sofort wieder, doch der ungläubige Ausdruck in ihren Augen blieb.
»Nun, vielleicht hat es ja seinen Nutzen. Ich freue mich auf den Tee bei Ihnen.« Damit legte sie Lillian die Schüssel in eine Hand und reichte ihr dann die Pfanne.
»Ich danke Ihnen vielmals, Mrs Peters.«
»Nichts zu danken, es war mir ein Vergnügen.«
Draußen vor der Tür erwartete sie eine frische Brise, die etwas Mehl von der Schüssel wehte wie Schnee.
Um diese Zeit weht der Schnee bestimmt auch von Kölns Dächern, dachte Lillian mit einem wehmütigen Lächeln. Doch der nächste Gedanke vertrieb die aufkommende Wehmut wieder. Die Begegnung mit Mrs Peters mochte ein wenig seltsam gewesen sein, doch nun hatte sie wieder etwas, was sie Adele schreiben konnte.
Nachdem Georg mit der Transportfirma ausgemacht hatte, die großen Gepäckstücke am nächsten Tag zu liefern, kehrte er zu ihrem Haus zurück. Beim Näherkommen betrachtete er den Bau genauer. Die blassgelbe Farbe auf den Holzbohlen musste unbedingt aufgefrischt werden, und der Garten brauchte eine liebevolle Hand, die das Unkraut beseitigte und den vorhandenen Blumen zu neuer Pracht verhalf. Da sie bisher ausschließlich in der Stadt gewohnt hatte, war Lillian nie zu einer besonderen Meisterin im Gärtnern geworden, und er brauchte sich wohl keine Hoffnungen zu machen, dass die Nachbarn sie wegen der Blütenpracht bewundern würden.
Aber du bist ja selbst schuld, dachte er belustigt. Du hast dem Mädchen den Floh ins Ohr gesetzt, die Sterne zu erforschen, anstatt sie zum Gärtnern anzuhalten. Doch wenn er ehrlich war, machte auch er sich nichts aus Gartenarbeit – wenngleich er schön angelegte Gärten wirklich zu schätzen wusste. Warum sollte seine Enkelin anders geraten sein als er?
»Du scheinst ja doch Töpfe gefunden zu haben«, bemerkte Georg, als ihm der Duft von Pfannkuchen in die Nase stieg. Lillian stand am Herd, über ihrem Rock eine rotkarierte Schürze, die sie sich kurz vor ihrer Abreise genäht hatte. Als sie sich umwandte, lächelte sie breit.
»Ich war drüben bei Mrs Peters und habe mir eine Pfanne und ein paar Eier geliehen.«
»Hat sie dich gefragt, warum wir gerade hierher gekommen sind?« Georg schälte sich aus seiner Jacke und ignorierte die Schmerzen, die ihm durch beide Schultergelenke zogen. Arthrose, hatte sein Arzt ihm schon vor einiger Zeit bescheinigt und ihm gedroht, dass er eines Tages seine Arme gar nicht mehr würde bewegen können. Wenn die Sternwarte erst einmal stand, brauchte er gewiss Hilfe bei den täglichen Arbeiten, aber daran wollte er jetzt noch nicht denken.
»Natürlich hat sie das. Und ich habe ihr nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet.«
»Und war sie schockiert?«
»Ach, ich weiß nicht. Sie war wohl eher überrascht, dass ich schon wieder vor ihr stand.«
»Warte nur ab. So obskure Nachbarn hat niemand gern.«
»Wir sind doch nicht obskur!«, protestierte Lillian, während sie mit der Pfanne zum Platz ihres Großvaters eilte und den Pfannkuchen auf den Teller gleiten ließ. »Ist dir aufgefallen, wie sie reagiert hat, als ich nach den Leuten gefragt habe, die vor uns hier gewohnt haben?«
»Das ist mir nicht entgangen, mein Kind.«
»Als ich drüben war, habe ich sie noch einmal gefragt, und sie hat wieder so reagiert. Immerhin konnte ich ihr ein paar Informationen entlocken.«
»Und, welche schreckliche Geschichte hat unser Haus? Müssen wir mit irgendwelchen Geistern rechnen? Wenn ja, sollte ich denen vielleicht die Astronomie schmackhaft machen, dann brauchen wir beim Bau nicht so viele menschliche Helfer.«
Lillian lachte auf. »Ach Großvater, du und deine Geschichten!«
»Geschichten würzen die fade Suppe des Lebens. Aber vielleicht ist das, was sich unter diesen Bodendielen oder vielleicht auch auf dem Dachboden
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