Der Rote Mond Von Kaikoura
überzeugen konnte, dass er so schnell keinen Fuß mehr auf ein Schiff setzen würde.
»Dann ist Ihnen der Entschluss, hierherzukommen, sicher nicht leichtgefallen, oder?«, unterbrach Henare seine Gedanken.
Georg senkte den Kopf. Schwer fiel ihm an der Sache nur eines, doch davon hatte er bisher nicht einmal Lillian erzählt.
»Entschuldigen Sie, wenn ich zu neugierig bin«, lenkte Henare ein wenig zerknirscht ein. »Das ist eine meiner schlechten Eigenschaften, fürchte ich.«
»Ganz im Gegenteil!«, entgegnete Georg, und stellte fest, dass er begann, diesen Burschen wirklich zu mögen. Nicht nur, dass er ein heller Kopf zu sein schien, er hatte auch eine sehr sympathische Art. »Neugier ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für einen Wissenschaftler. Bewahren Sie sie, sie wird Ihnen eines Tages noch von großem Nutzen sein.«
Die Art, wie der junge Mann verlegen den Kopf senkte, brachte Georg zum Lächeln. »Und was Ihre Frage angeht, nein, es ist mir nicht schwergefallen. Inzwischen bin ich kein Matrose mehr, die Schiffe sind mittlerweile wesentlich besser, und die Zeit hat die Wunden von damals beinahe geheilt. Außerdem habe ich damals ein Versprechen gegeben, und dieses werde ich halten.«
Es war Henare anzusehen, dass ihm die Frage, was für ein Versprechen das war, auf der Zunge lag, doch er schwieg.
»Warum hat Mr Caldwell Sie zu meinem Assistenten bestimmt?«, fragte Georg nun. »Sie haben von anderen Assistenten gesprochen.«
»Er meinte, dass ich Ihnen helfen könnte, indem ich bei meinem Volk vermittle. Immerhin planen Sie den Bau Ihrer Sternwarte auf Maori-Land. Der Berg ist eines unserer Heiligtümer.«
»Dann meinen Sie, es könnte Probleme geben?«
Henare schüttelte den Kopf. »Probleme gibt es nur, wenn Sie unbefugt heiligen Grund betreten oder eine heilige Stätte entweihen. Um das zu vermeiden, bin ich hier. Ich werde mit meinen Leuten verhandeln und Ihnen einen geeigneten Baugrund aussuchen. Vielleicht sollten wir uns zusammen mit Mr Caldwell zu ihnen begeben und um Erlaubnis bitten.
»Meinen Sie, Ihre Leute werden sie uns geben?«, fragte Georg und bemerkte, dass ein Schatten über das Gesicht seines Gegenübers zog.
»Natürlich werden sie das, wenn der Preis und die Bedingungen dem ariki, also dem Häuptling angemessen erscheinen.
»Hat Mr Caldwell denn genug Geld, um ihnen einen angemessenen Preis zu zahlen?«
»Auf das Geld kommt es nicht so sehr an. Die Maori machen sich größtenteils nichts aus Geld. Wenn sie ein Stück Land abtreten, dann nur im Tausch gegen ein anderes Stück, das sie zuvor den Weißen überlassen haben.«
»Klingt kompliziert.«
»Ist aber viel simpler, als Sie denken. Vorausgesetzt, Sie haben jemanden, der bereit ist zu tauschen.«
»Ich nehme nicht an, dass Mr Caldwell inzwischen Landbesitzer geworden ist.«
Henare schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, das auf keinen Fall. Er besitzt ein Haus in der Stadt, das ist aber auch schon alles.«
»Und wie will er das Tauschgeschäft bewerkstelligen?« Georg wurde unwohl zumute. So viel konnte noch passieren …
»Er hofft, einen der Schafzüchter, mit denen er befreundet ist, zu überreden, Land einzutauschen. Ein Stück seiner Weide für ein Stück Berg. Wenn dieser Handel gelingt und auch der Häuptling des in dieser Gegend ansässigen Stammes einverstanden ist, können Sie mit den Bauarbeiten beginnen. Einen Bauplan haben Sie doch sicher schon, oder?«
»Natürlich habe ich den!« Georg reckte stolz die Brust vor. »Allerdings befindet er sich noch in meinem Reisegepäck. Meine Enkeltochter wird gerade dabei sein, alles auszupacken.«
»Ihre Enkelin begleitet Sie? Das ist sicher eine große Hilfe.«
»Eine unschätzbar große Hilfe«, entgegnete Georg. »Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde. Sie versorgt nicht nur den Haushalt, sondern hilft mir auch bei der wissenschaftlichen Arbeit. Vielleicht … wird sie eines Tages die Leitung der Sternwarte übernehmen.«
Der Stolz auf Georgs Gesicht brachte Henare zum Lächeln. »Sie scheint wirklich eine außergewöhnliche Frau zu sein. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich sie kennenlerne.«
»Das werden Sie sicher bald.«
Rosenduft brachte ihn davon ab, weiterzureden. Leise wie ein Geist war die Teestubenbesitzerin neben ihnen aufgetaucht, mit einer Teekanne in der Hand.
»Möchten Sie noch etwas Tee?«
Ihr Lächeln ließ Georg für einen Moment vergessen, was er sagen wollte.
»Ja, bitte«, presste er schließlich
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