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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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Jahren Witwe ist und keine Kinder hat. Die Teestube und ihre Gäste sind ihr ein und alles.«
    »Oh, das tut mir leid«, fühlte sich Georg bemüßigt zu sagen, doch im Stillen durchzog seltsamerweise tiefe Erleichterung sein Herz. »Kommen wir zu Mr Caldwell«, versuchte er dann, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken und damit den Duft und das Lächeln der Teestubenbesitzerin aus seinem Verstand zu verdrängen. »Wie kommt er mit der Finanzierung voran?«
    »Leider etwas schleppend«, entgegnete Henare ein wenig verlegen. »Die Idee, in diesem Land ein Observatorium zu errichten, wird von vielen entweder milde belächelt oder als Unfug abgetan. Nur wenige betuchte Geldgeber sind bereit, dieses Unternehmen zu unterstützen.«
    »Vielleicht sollte ich in Christchurch einen Vortrag zu dem Thema halten. Wahrscheinlich verkennen die Leute hier die Bedeutung der Wissenschaft.«
    »Da haben Sie recht, allerdings müssen Sie es den Männern hier nachsehen. Die meisten von ihnen verdienen ihr Geld mit Viehhandel und Wolle. Sie könnten Ihnen alle möglichen Qualitäten von Schafswolle erklären oder Ihnen hervorragende Pferde empfehlen. In der Zucht von guten Hütehunden sind sie ungeschlagen. Doch in die Sterne schauen sie nur selten. Das ist etwas für Frauen, Kinder und Wilde, sagen sie dann.«
    Georg schwieg eine Weile, dann sagte er: »Ihr Volk hält sehr viel von den Sternen und dem Mond, nicht wahr?«
    »Sie sind Teil unseres Lebens. Wer, wenn nicht sie, würde die Nacht erhellen? Es gibt zahlreiche Geschichten über die Sterne und den Mond, und einer unserer wichtigsten Feiertage hängt mit Sternen zusammen.«
    »Der Aufgang des ersten Neumondes nach Erscheinen des Siebengestirns, nicht wahr?«
    Henare zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich … ich war schon einmal in diesem Land. Vor sehr vielen Jahren.«
    Ein Bild tauchte aus seiner Erinnerung auf, doch es verschwand schneller, als Georg es greifen konnte. Er schüttelte kurz den Kopf, dann sah er den jungen Mann an. »Ich bin früher einmal zur See gefahren. Es ist schon beinahe nicht mehr wahr, so lange ist es her.«
    »Das glaubt man von einem Wissenschaftler gar nicht«, entgegnete Henare ehrlich verblüfft. »Mr Caldwell ist da vollkommen anders; er wird nicht müde, seinen Assistenten zu erzählen, dass er sich schon als Knabe mit der Wissenschaft beschäftigt hat.«
    »Das eine schließt das andere doch nicht aus, oder?« Georg lächelte versonnen in sich hinein. »Vielleicht war meine Liebe zu den Sternen und dem Mond der Grund, warum ich zur See gefahren bin. Nirgendwo ist man den Gestirnen näher als auf dem Wasser.«
    Georg unterbrach das Gespräch, als Mrs Blake mit einem Silbertablett auf sie zukam. Schon von Weitem konnte er das Aroma des Kuchens wahrnehmen. Mit anmutigen Handbewegungen stellte sie das Tablett zwischen die beiden Männer und legte dann jedem von ihnen ein Stück auf.
    »Der Kuchen riecht wirklich köstlich, Mrs Blake«, bemerkte Henare mit leichtem Schalk in den Augenwinkeln. »Wie schaffen Sie das, dass er immer besser wird?«
    »Das ist mein Geheimnis.« Der Blick, den sie Georg dabei wie zufällig zuwarf, ging ihm durch und durch.
    »Und Sie sind nicht gewillt, es mit uns zu teilen?«, erkühnte er sich zu sagen. »Meine Enkelin würde sich sehr über das Rezept freuen.«
    »Stellen Sie mir Ihre Enkelin doch einmal vor«, entgegnete Mrs Blake lachend. »Wenn ich sie nett finde, lasse ich mich vielleicht überreden.«
    »Das werde ich gern tun«, entgegnete Georg, was ihm ein Lächeln einbrachte, bevor Mrs Blake wieder hinter ihren Tresen zurückkehrte.
    Eine Weile schwiegen die beiden Männer am Tisch, dann fuhr Henare fort.«Und warum haben Sie die Seefahrerei aufgegeben? Wollten Sie wissen, was hinter den Gestirnen steckt?«
    »Das zum einen, und zum anderen hatte ich auch genug von der See. Es gab einige unerfreuliche Vorfälle auf meiner letzten Reise, sodass ich die Lust am Wasser verloren habe. Aber meine Liebe zu den Gestirnen ist geblieben, und so begann ich, sie zu erforschen.«
    Nur ungern dachte Georg an die Monate zurück, nachdem er nach Hause zurückgekehrt war. Sein Elternhaus hatte er im Streit verlassen und sich dann mehrere Jahre nicht mehr gemeldet. Bei seiner Heimkehr war seine Mutter glücklich gewesen, ihn lebend wiederzusehen – sein Vater jedoch hatte ihn noch einige Wochen ignoriert, bevor es zum reinigenden Gewitter zwischen ihnen kam und Georg ihn endlich davon

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