Der Rote Mond Von Kaikoura
hervor.
»Für mich auch bitte«, sagte Henare und hielt ihr die Teetasse entgegen.
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie noch etwas brauchen«, sagte Mrs Blake lächelnd; dann verschwand sie in der Küche.
Georg sah ihr verwirrt nach und bemerkte dann, dass Henare hinter seiner Teetasse breit lächelte. Benehme ich mich denn wirklich so unmöglich?, fragte er sich, während auch er einen kräftigen Schluck nahm.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Lillian, der es inzwischen gelungen war, das Haus ein wenig wohnlicher zu gestalten. Natürlich würde es ihrem Großvater ebenso wie in Deutschland gelingen, wissenschaftliches Chaos zu stiften. Eines, das aus Büchern und Karten bestand, die nach einem System über Böden und Tische verteilt waren, das wahrscheinlich nur er durchschaute. Aber vorerst konnten sie sich an der Ordnung und Sauberkeit erfreuen.
»Sehr gut«, antwortete Georg, während er sich aus seiner Jacke schälte. »Der junge Mann, den Caldwell mir als Assistenten gestellt hat, ist sehr freundlich und dienstbeflissen. Sobald das Haus einigermaßen bewohnbar ist, sollten wir in auf eine Tasse Tee einladen.«
»Sehr gern! Zumal er ja in der nächsten Zeit sehr eng mit dir zusammenarbeiten wird.«
»Das ist richtig. Stell dir vor, Caldwell hat sogar schon begonnen, einen Baugrund für uns ausfindig zu machen. Henare Arana, so heißt der Bursche, wird mit den Maori verhandeln, denn offenbar wird unsere Sternwarte auf heiligem Grund stehen.«
Lillian runzelte die Stirn. »Wird es da keine Probleme geben? Ich habe mal ein Buch gelesen, in dem es um die amerikanischen Indianer ging. Die waren nicht sehr erfreut, als Weiße ihre heiligen Stätten entweihten.«
»Dafür haben wir ja Mr Arana. Er erscheint mir sehr klug und geschickt; sicher wird er einen Weg finden, sein Volk von unserem Vorhaben zu überzeugen. Immerhin haben die Maori sehr viel für die Gestirne übrig, mehr noch als unsere eigenen Leute.«
»Du machst mich wirklich neugierig auf ihn. Trägt er auch eine Tätowierung wie unser Kutscher?«
»Nein, erstaunlicherweise noch nicht. Aber wahrscheinlich lebt er schon eine ganze Weile unter den Weißen.«
Ohne dass er es wollte, trat ein entrückter Ausdruck auf sein Gesicht.
Lillian hob verwundert die Augenbrauen. »Was ist mit dir? Du schaust drein, als hättest du eben eine Fee durch den Raum schweben sehen.«
»Unsinn, Kind!«, entgegnete er schroff, doch das Lächeln blieb auf seinem Gesicht.
Nachdem Lillian ihn verwundert betrachtet hatte, fragte sie: »Und wann, meinst du, wird die Sternwarte fertig sein?«
»Oh, bis dahin wird noch einiges Wasser durch die Mühlen rauschen. Am besten machen wir erst einmal einen Schritt nach dem anderen. Wenn wir das Land haben, wird sich auch alles Weitere zeigen.« Georg legte den Arm um seine Enkelin. »Aber jetzt bin ich erst einmal gespannt, was es zum Abendessen gibt.«
Auf dem Weg nach Blenheim gingen Henare viele Gedanken durch den Kopf. Gegenüber dem weißhaarigen Forscher hatte er es sich nicht anmerken lassen, doch der bevorstehende Besuch bei dem hiesigen Maori-Stamm bereitete ihm großes Unbehagen. Nicht, weil er im Auftrag eines Weißen kam, sondern weil er auf diese Weise wieder mit dem langen Konflikt konfrontiert wurde, der ihn schon seit Jahren begleitete.
Seinem Arbeitgeber hatte er verschwiegen, dass seine Verbindungen zu dem hier ansässigen Stamm wesentlich enger waren. Natürlich wusste Caldwell, dass er Maori war und auch aus der Gegend stammte, doch sie hatten nie über familiäre Bande gesprochen. Henare hatte das stets als angenehm empfunden, aber was würde sein, wenn er jetzt in das Dorf zurückkehrte und damit wieder alles aufwühlte, was einst geschehen war?
Würden seine Leute darüber so sehr in Aufruhr geraten, dass sie seine weißen Begleiter ebenso wie ihn abwiesen?
Aber vielleicht sehe ich das alles enger, als es wirklich nötig ist, versuchte er sich zu beruhigen. Vielleicht haben sie meine Entscheidung und meine Tat inzwischen akzeptiert. Ich werde mein Bestes tun, damit sie mit Caldwell und dem Deutschen Geschäfte machten, denn was konnte den Maori mehr nützen als ein Ort, an dem die Kinder des Lichts, wie seine Leute die Sterne nannten, verehrt wurden?
Ein merkwürdiger Ton ließ ihn plötzlich innehalten. War das ein Muschelhorn, das er vernommen hatte? Für gewöhnlich waren die Maori um diese Zeit in ihren Dörfern, wo sie ihr Abendessen einnahmen. Nur dann, wenn Krieg herrschte oder die Jagd nach
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