Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
Vom Netzwerk:
rannte.
    Geschniegelt und gebügelt kehrte er nach wenigen Minuten zurück, mit blauem Gehrock, ein wenig nachlässig gebundener Krawatte und grauen Hosen.
    »Dann lass uns das Holz mal anschauen!«
    Lillian stellte ihren Korb ab und folgte ihm nach draußen.
    »Findest du es nicht ein bisschen seltsam, dass sie uns nicht Bescheid gesagt haben?«, fragte sie, als sie das Gartentor hinter sich gelassen hatten.
    »Sie haben uns sicher nicht angetroffen, das ist alles«, antwortete Georg, während er raumgreifend ausschritt. »Warum sollten sie uns verschweigen, dass das Holz da ist, und dann alles Mögliche in der Stadt herumerzählen?«
    »Sie hätten einen Zettel hinterlassen können.«
    »Ja, wenn die Burschen denn schreiben könnten. Ich bin mir nicht sicher, ob das bei allen Leuten der Fall ist. Schon gar nicht, wenn sie beim Holztransport arbeiten. Die Hilfsarbeiter werden Maori sein, und nicht alle beherrschen die englische Sprache so gut wie unser Mr Arana.«
    Die Erwähnung seines Namens brachte Lillian zunächst davon ab, noch etwas zu sagen. Plötzlich hatte sie wieder seine Stimme im Ohr und sein Lächeln vor dem geistigen Auge, ihren Spaziergang durch den nebligen Wald und die Art, wie er diese merkwürdigen kleinen Vögel gegessen hatte …
    »Hier entlang«, brach die Stimme ihres Großvaters durch ihre Gedanken. »Träum nicht, Lillian!«
    Verwirrt blickte Lillian auf und merkte jetzt erst, dass sie sich nicht nur dem Stadtrand näherten; ihr Großvater hatte sich auch ein ziemliches Stück von ihr entfernt.
    »Ich komme!«, rief sie und eilte ihm mit langen Schritten hinterher.
    »Darf ich fragen, wo du gerade mit den Gedanken warst?«, fragte Georg lächelnd.
    »Nirgendwo«, entgegnete Lillian verlegen, während sie versuchte, mit ihrem Großvater Schritt zu halten – was bei seinem Elan alles andere als einfach war. »Ich dachte nur an die Sternwarte. Daran, dass wir sie bald bauen können.«
    »Und nicht an irgendeinen netten jungen Mann?« Georg hob vielsagend die Augenbrauen.
    »Nein, warum sollte ich?«
    »Nur so ein Gedanke. Ich habe schon einige Frauen erlebt, die angesichts eines Mannes ins Träumen geraten sind. Und alle haben sie so dreingeschaut wie du.«
    »Großmutter auch?«
    Georg seufzte. »Ja, deine Großmutter auch. Besonders, wenn sie mich im Sinn hatte. Allerdings hatte ich nur selten das Glück, sie dabei zu beobachten. Ihre Spürnase witterte mich hinter jedem Rosenbusch, es war fast unmöglich, sich vor ihr zu verstecken. Aber wenn ich sie einmal für wenige Momente unbeobachtet betrachten konnte, sah ich jedes Mal so einen entrückten, träumerischen Blick, von dem ich mir nur allzu gern einbildete, dass er mir galt.«
    Lillian senkte den Blick, als ihr Großvater sie ansah. Vielleicht hatte sie ja tatsächlich so dreingeschaut. Doch das bedeutete gar nichts. Heute ging es wirklich nur um die Sternwarte.
    »Na also, da ist es ja!«, rief ihr Großvater plötzlich aus und deutete nach vorn.
    Ein provisorisch errichteter Zaun spannte sich um einige große Stapel Holz und Stein, die von drei Wachposten mit Gewehren über der Schulter vor Diebstahl geschützt wurden.
    Als sie sich näherten, trat einer der Männer vor.
    »Ich muss Sie bitten zu gehen, Sir, Sie haben hier nichts zu suchen«, sagte er mit erhobener Hand und grimmiger Miene.
    »Und ob ich hier was zu suchen habe!«, entgegnete Georg ungerührt. »Ich bin der Mann, der aus dem Holzhaufen dort eine Sternwarte machen möchte.«
    Der Wächter sah ihn zunächst verwirrt an, dann schien ihm ein Licht aufzugehen.
    »Sie sind dieser Deutsche?«
    »Georg Ehrenfels«, stellte Lillians Großvater sich vor und deutete dann auf sie. »Und das ist meine Enkelin Lillian Ehrenfels. Es tut mir leid, dass wir nicht zugegen waren, als Sie uns benachrichtigen wollten; gemeinsam mit Mr Caldwell waren wir unterwegs, um den Baugrund zu besichtigen.«
    Für einen Augenblick sah der Wächter überrascht aus. Seine Lippen bebten, als wollte er etwas sagen, nur kam er nicht auf die passenden Worte.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mir das Holz gern mal ansehen.«
    »Aber sicher doch, Sir.«
    Der Wächter wandte sich zur Seite, wo ein weiterer Mann Aufstellung genommen hatte. Er winkte ihm kurz zu, worauf er kehrtmachte und wieder zum anderen Ende des Lagers verschwand.
    »Bitte verzeihen Sie die Sicherheitsmaßnahmen, aber Mr Caldwell meinte, dass vielleicht Holz gestohlen werden könnte. Deshalb hat er uns angestellt.«
    Caldwell

Weitere Kostenlose Bücher